Wo bleibt eigentlich Andreas Möller?

■ Mit einem 2:1 in Osnabrück sind die Offenbacher Kickers zurück in der 2. Fußballbundesliga – konsolidiert und ambitioniert

Offenbach (taz) – Wie so viele seiner Zunft ist auch Hans-Jürgen Boysen ein echter Videofan. Der dazugehörige Recorder ist für den Trainer von Kickers Offenbach ein essentielles Arbeitsgerät. „Wenn man den Gegner richtig studiert hat, muß man seinen Spielern nicht viel erzählen, man muß sie nur entsprechend plazieren.“ Künftig kann sich Boysen nun dem im Vergleich zur Regionalliga deutlich umfangreicher vorhandenen Filmmaterial über die hiesigen Zweitbundesligisten widmen. Mit einem überlegen herausgespielten 2:1-Sieg beim VfL Osnabrück schaffte Kickers Offenbach den lang ersehnten Aufstieg in die 2. Liga. Auch was die OFC-Mythenbildung anbelangt, wurde ein weiteres Kapitel geschrieben: Der angeschlagene und erst eingewechselte Publikumsliebling Oliver Roth durfte das Siegtor schießen und den Fans auf dem heimischen Bieberer Berg via Videoleinwand das Motto zum Wochenende vorgeben: „Wir haben heute ein riesiges Tor aufgemacht, sowohl sportlich als auch finanziell.“

Sein Trainer Boysen war dagegen auch inmitten des Jubels gedanklich schon wieder bei zukünftigen Plazierungen. „ Ich brauche noch einen Torwart, einen Abwehrspieler, zwei Mittelfeldstrategen und wenigstens einen Stürmer“, hat er Manager Klaus Gerster angewiesen. Der bemüht sich nun um die angemahnten Verstärkungen: der Mainzer Kapitän Lars Schmidt ist bereits verpflichtet und zitterte schon auf der Tribüne mit, sein Klubkollege Marco Grevelhörster soll ihm folgen.

Auch mit profilierteren Profis wird bereits munter verhandelt. Pascal Ojigwe, im letzten Herbst durch Otto Rehhagels Wechselfehler zu kurzfristiger Berühmtheit gelangt, ist einer davon. Dabei könnte der OFC von Synergieeffekten aus Gersters Doppeltätigkeit als Kickers-Manager und unabhängiger Spielerberater profitieren. Nachdem Gerster mit Marco Reich und Thomas Sobotzik zwei Klienten in Kaiserslautern plaziert hat, bestehen gute Kontakte.

Mit Manfred Binz, in Dortmund ausgemustert, ist zudem ein weiterer Gerster-Spezi im Gespräch. Da drängt sich freilich die Frage auf, was macht eigentlich Andreas Möller? Der ist bekanntlich ebenfalls mit einem Gerster-Beratervertrag ausgestattet und unglücklich in Dortmund. Die Zeit der kleinen Scheine ist jedenfalls vorbei in Offenbach – eine halbe Million Mark Aufstiegsprämie streicht die Mannschaft nun ein. Mit dem Aufstieg vergoldet sich auch der Manager sein bislang ehrenamtliches Wirken – ebenfalls eine halbe Million hat sich Gerster von den anstehenden Übertragungsrechten gesichert.

Doch Gersters sportliche und finanzielle Bilanz kann sich sehen lassen: Innerhalb von drei Jahren marschierte man von der hessischen Oberliga in die 2. Liga, hat das Skandalklubimage abgestreift und sich ökonomisch konsolidiert.

Für die kommende Saison peilt man einen Zuschauerschnitt von 15.000 an – angesichts der Euphorie in der tristen Betonstadt Offenbach und der langen Liste namhafter Zweitligaklubs durchaus realistisch. Einzig die Hooligans machen manchen Verantwortlichen Sorgen. In zeitlicher Nähe zum Aufstieg des OFC hat der hessische Innenminister Buffier schon einmal verkündet, zukünftig Pfefferspray zum Einsatz bringen zu wollen – prompt wurde ihm die Briefmarkensammlung aus seinem Eigenheim entwendet.

Kickers-Anhänger waren es bestimmt nicht, die sind auch weiterhin mit der „Riesensause“ beschäftigt und wollen sich ja bekanntlich nicht mehr mit Kleinkram beschäftigen. Nur zu gerne würde man sich in Offenbach auch nicht allzu lange in der 2. Liga aufhalten. 1860 München, Fortuna Düsseldorf, 1. FC Nürnberg, Arminia Bielefeld und SSV Ulm haben es vorgemacht – in Offenbach glaubt man, daß man sich in der Liste der von der Regionalliga in die 1. Bundesliga durchmarschierten Vereine gut machen würde. Klaus Teichmann