Gezähmter Hofnarr

■ Harald Schmidt empfiehlt: „American Psycho“ von Bret Easton Ellis

Der große Zyniker wird langsam alt. Nicht nur, daß Harald Schmidt in einem Interview äußerte, er müsse sich „mehr überlegen“, was er sage. Nicht nur, daß er brisante Themen in seiner Show auf Sat 1 zunehmend meidet. Sondern er bringt es fertig, ganz brav und artig und wie irgendein Schauspieler mit einem Buch, das noch nicht mal von ihm stammt, auf Tournee zu gehen. Die Hamburger drängelten dennoch im Deutsch-en Schauspielhaus und stürmten, nach eineinhalbstündiger Bedröhnung durch Haralds markantes Organ, wie auf Kommando zum Buchstand.

Dabei ist American Psycho von Bret Easton Ellis, Schmidts erklärtes Lieblingsbuch, bereits ein Klassiker der jüngeren amerikanischen Literatur. Aus dem amerikanischen Traum wird da ein Alp: Ein durchgeknallter, sadistischer Investmentbanker peppt seinen Luxus-Lifestyle mit bestialischen Morden. Weil nicht nur Reichtum, sondern auch Bluttaten detailliert geschildert werden, heißt es bei Haralds Leseabend: ab 18 Jahre.

Der bestgehaßte Entertainer ist pünktlich. Sein grau changierender Anzug könnte von C&A sein, ist aber Maßanfertigung. Dezent, gediegen, seriös kommt der gelernte Komiker zur Sache, verliest mit mächtigem Stimmeinsatz und ironischen Unterton die Product-Placement-Passagen des Romans wie die Hardcore-Szenen. Zum Psychogramm des Mörders gesellt sich so Schmidts Image-Strategie: Der gezähmte Hofnarr des „Fastfoodmediums“ (Schmidt übers Fernsehen) rückt als moderner Märchenonkel in die Gesellschaft internationaler Subversiver auf. Ziel erreicht, Harald hat hundert Punkte. Man macht sich nur Sorgen, ob er nicht doch Ähnlichkeit mit seinem Haustier, der Schnecke Speedy, bekommt.

Gisela Sonnenburg