Jungfräuleinwunder

■ Stimmgewaltige Barbies, voll auf Marshmallow: „The Fabulous Singlettes“

Erst liegt nur ein Hauch von Haarspray in der Luft, dann zeichnen sich drei Schatten auf einer türkisfarbenen Leinwand ab, und schließlich stehen sie leibhaftig vor uns: die Ladies und der Shoop Shoop Song. Sorgsam haben sie ihre Haare zu Bienenkörben in schwindelerregende Höhen drapiert, über die Schulter baumelt kokett der falsche Zopf und ihr Einheitskostüm ist ein 60er-Jahre-Traum in schreiendem Bubblegum-Pink.

Geistig befinden sich die in die Jahre gekommenen Mädels noch im prä-feministischen Stadium, in dem sich alles nur um „boys, boys, make-up und boys“ dreht. Jede der drei Grazien hat ihre Rolle. Naomi ist das Bossy-Girl, das den Ton angibt und ihre motorradfahrenden Freunde ständig an die ewigen Jagdgründe verliert. Lisa ist das Sexy-Girl mit zweifelhaftem Erfolg: Ihrem letzten Boy sei beim Anblick ihrer Unterwäsche urplötzlich eingefallen, daß er am Auto noch die Winterreifen aufziehen wollte.

Dritte im Bunde und wahrlich nicht zu übersehen ist Alison, das schüchterne Nice-Girl, das wegen der unbändigen Liebe zu Süßigkeiten inzwischen eher wie eine Barbiepuppe im Breitbandformat aussieht. Ihre Träume von falschen Wimpern als Meterware, tollen Typen und glitzernden Kleidern werden von Songs wie My Guy, It's in his Kiss, Be my Baby, Stop, in the Name of Love oder It's my Party stilecht in der Tradition der Supremes und Dusty Springfield in Szene gesetzt.

Aber erst nach der Pause ziehen die Ladies alle Register: Die Publikumskandidaten Hubert, Timmy und Ecke geraten beim Blind Date neben ihnen zu Hanswürsten. Ein anderer Probant erfährt, nachdem er einen angelutschten Marshmallow essen muß, daß Naomis Herpes schon verkrustet sei und nicht mehr nässe wie die Tage vorher. Und auch der obercoole Bandleader in zu enger Hose wird locker in seine Schranken verwiesen. Siehe da: Die eben noch hausbackenen Jungfräuleinwunder können richtig schön fies sein. Zum Fressen gern hat man die hemmungslos rülpsenden und garstig witzelnden Ur-Girlies, die zudem noch phantastisch singen können – sexy und solidarisch, wie sich das für eine Girl-Group gehört.

Musikalisch kommen sie in den 70er Jahren an: Ein Medley aus Shaft, Dancing Queen, I will survive und Voulez vous couchez avec moi läßt das Publikum zur glücklich wippenden Masse werden. Die kräftigen Stimmen der Fabulous Singlettes haben schließlich schon Stars wie die Pointer Sisters und Cliff Richard unterstützt. Sie sangen Gospels, in Musicals, auf Soundtracks und im Fernsehen bei Spitting Image. Genug der Lobhudelei. Reingehen, ins Singing all Night, und sich köstlich amüsieren.

Stefanie Heim

bis zum 25. Juli, täglich außer Mo, 20.30 Uhr, St. Pauli Theater