Besser spät ein Mahnmal als nie

■ Josef „Tommi“ Lapid, Überlebender und Knesset-Mitglied über das Mahnmal

taz: Wie schätzen Sie die Debatte um das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein?

Tommi Lapid: Ich glaube, daß die ganze Diskussion viel zu viel Zeit gekostet hat. Aber ich bin froh, daß man heute zu einer Entscheidung gekommen ist.

Warum interessiert man sich in Israel so wenig dafür?

Daß die Deutschen debattieren, ob und wie sie eine Manhmal errichten, ist für uns eine unangenehme, peinliche Angelegentheit. Dieses Bitten um Vergebung und Deutschland – das will nicht so recht zusammenpassen. Es gibt sicher auch Juden, die der Auffassung sind, daß es sowieso keine Sühne gibt für das Unrecht der Deutschen.

Gehören Sie dazu?

Ich persönlich habe die Diskussion um das Holocaust-Mahnmal anerkennend verfolgt.

Hätten Sie sich mehr israelische Beteiligung an der Gestaltung des Mahnmals gewünscht? Es gab Vorschläge von Ygal Tomarkin und Dani Karawan.

Ich halte es für völlig richtig, daß die Deutschen das unter sich ausmachen. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin ist eine rein deutsche Angelegenheit.

Es sind Stimmen laut geworden, die kontraproduktive Reaktionen fürchten, angesichts so eines Ortes und Umfangs. Teilen Sie diese Befürchtung?

Es gibt tatsächlich ein Problem mit der Monumentalität des Mahnmals. Aber hätte man sich für ein kleineres Denkmal entschieden, dann wäre sicher die Kritik laut geworden, daß sich die Deutschen billig aus der Affäre ziehen wollen. Wie sie es auch machen: „You cannot do the right thing.“

Es gab auch Stimmen, die sagen, Israel hat Jad Vaschem, Deutschland hätte sich den Tätern widmen sollen.

Nein, das sehe ich auf jeden Fall ganz anders. Ich glaube, daß nach mehr als 50 Jahren wirklich die Zeit für so eine Gedenkstätte in Berlin gekommen ist.

Halten Sie es für verspätet?

Man hätte sicher früher daran denken können, aber besser spät als nie.

Vielleicht ist das auch ein Indiz dafür, wie schwierig das Thema Holocaust für die Deutschen ist.

Die Deutschen haben kein Problem damit, eine Gedenkstätte aufzustellen. Das deutsche Problem ist die Gewissensnot.

Was wäre passiert, wenn der Bundestag grundsätzlich gegen die Errichtung eines Mahnmals entschieden hätte?

Ich habe überhaupt keinen Zweifel, daß es dann zu sehr scharfer Kritik gegen das deutsche Parlament und auch gegen die Bundesregierung gekommen wäre.

Interview: Susanne Knaul