Tod im Polizeigewahrsam

■ Proteste in Usbekistans Hauptstadt gegen den Tod eines islamischen Oppositionellen

Berlin (taz) – Mehrere hundert Einwohner der usbekischen Haupstadt Taschkent haben am Samstag am Begräbnis eines islamischen Oppositionellen teilgenommen, der im Polizeigewahrsam zu Tode gekommen war. Die Polizei sperrte das Stadtviertel ab, in dem die Menschen sich versammelten. Auch schwerbewaffnete Einheiten des Innenministeriums waren im Einsatz, meldeten die britische BBC und Radio Free Europe übereinstimmend.

Der etwa 30jährige Farhat Usmanow, Sohn eines bekannten oppositionellen Geistlichen, war rund zehn Tage nach seiner Verhaftung wegen der Verteilung nicht genehmigter Flugblätter gestorben. Staatspräsident Islam Karimow hat die islamische Hierarchie nach sowjetischem Muster gleichgeschaltet. Alle Geistlichen, die sich dagegen wehren, werden als Regimegegner betrachtet. Die Behörden gaben als Ursache von Usmanows Tod „Herzversagen“ an. Verwandte sprachen jedoch davon, die Leiche Usmanows habe Spuren von Schlägen aufgewiesen.

Die Lage in Usbekistan ist äußerst gespannt, seit am 16. Februar binnen 45 Minuten sechs Bomben im Zentrum Taschkents detonierten. Dabei starben 20 Menschen und wurden mehrere Regierungsgebäude zerstört. Präsident Karimow überlebte nur, weil er zu spät zu einer Kabinettsitzung erschien. Karimow war mit Schuldzuweisungen schnell bei der Hand: Es handele sich um „Wahhabiten“, in Mittelasien und Rußland die Bezeichnung für „islamische Fundamentalisten“. Später wurde eine bis dahin in Usbekistan unbekannte „Hezbi Tahriri Islomiya“ (Islamische Befreiungspartei) für den Anschlag verantwortlich gemacht, die laut Karimow mit beträchtlichen finanziellen Mitteln im Land aktiv sei und ein „islamisches Kalifat“ errichten wolle.

Karimow nutzte den Anschlag, um gegen oppositionelle Kräfte vorzugehen. Hunderte wurden verhaftet, Dutzende andere wurden von Tadschikistan, Kasachstan und der Ukraine ausgeliefert, darunter Solihs Bruder Muhammad Bekdschon. Karimow beschuldigte auch die verbotene säkulare Partei „Erk“ (Freiheit), mit den Anschlägen in Verbindung zu stehen. Bei einem Besuch in der Türkei im März brachte er Gastgeber Suleyman Demirel dazu, den dort im Exil lebenden Erk-Chef Muhammad Solih nach Rumänien abzuschieben. Thomas Ruttig