EU will Lehren aus Bosnienhilfe ziehen

■ Das Wiederaufbauprogramm für das Kosovo soll trotz hohen Zeitdrucks ohne Hast und gründlich konzipiert werden. Erste Einsatzgruppe soll diese Woche vor Ort eintreffen

Brüssel (taz) – „Obnova“, das vor drei Jahren bürokratisch konzipierte EU-Hilfsprogramm für den Wiederaufbau in Bosnien, Herzegowina, Kroatien und Makedonien kommt nun auch im Kosovo zum Einsatz. Doch gleich, ob die EU eine oder zwei Milliarden Mark bereitstellt, die gerade entstehende Kosovo-Wiederaufbauagentur der EU ist nicht vor dem Winter voll einsatzbereit. Das erklärte der Sprecher des außenpolitischen EU-Kommissars, Hans van den Broek, in der vergangenen Woche auf Anfrage.

Noch in dieser Woche aber werden die ersten Mitglieder einer Task Force der Agentur im Kosovo und in Makedonien eintreffen. Das vierzigköpfige Team, bestehend aus rund 20 Kommissionsbeamten und 20 externen Experten, wird zuerst die Schäden sowohl der industriellen und öffentlichen Einrichtungen bewerten, dann auch Zerstörungen privaten Wohnraums auflisten. Noch gibt es Streit um den Sitz der Agentur: Priština oder Skopje. Doch Kommissar van den Broek, der Priština bevorzugt hatte, schwenkte inzwischen um. Es gäbe Sicherheitsbedenken, so sein Sprecher. Darum wird die dreigeteilte Task Force voraussichtlich mit zwei Gruppen zur Wiederaufbau-Planung und zur finanziellen Kontrolle gegenüber den am Aufbau beteiligten privaten Unternehmen in Skopje angesiedelt werden.

Anders als in Bosnien sollen mit der Finanzkontrolle im Kosovo doppelt vergebene Aufträge verhindert werden. Nationale Quoten für die sogenannten „Tender“ an private Unternehmen wird es nicht geben, hieß es von Experten der Task Force. Für die Tender stehen unter anderem deutsche Unternehmen bereits in den Startlöchern. BDI-Geschäftsführer Ludolf von Wartenberg forderte bereits, Deutschlands Wirtschaft müsse mit Sitz und Stimme in der Wiederaufbau-Agentur vertreten sein.

Die dritte Gruppe, die politisch besetzte Koordinationsgruppe der internationalen Geldgeber, wird voraussichtlich ihren Sitz in Priština bekommen und mit der Weltbank, der Europäischen Investitionsbank und nationalen wie auch privaten Geldgebern kooperieren. Jede der drei Gruppen bekommt eine eigene Führungsspitze, die ständig mit der Brüsseler EU-Kommission Verbindung hält. Trotz des immensen Zeitdrucks wegen des anstehenden Winters soll die Task Force überhastete Entscheidungen verhindern und ausreichend qualifiziertes Personal vor Ort aussuchen – anders als in Bosnien. Im Kosovo, in Makedonien, Albanien und Montenegro will die EU darum zwischen 200 und 300 lokale Experten befristet unter Vertrag nehmen.

Konzentriert wird die Aufbauarbeit auf die am schwersten betroffenen Gebiete. Wie ein Task-Force-Leiter in Brüssel sagte, müßten dringend Jobs für die Kosovo-Albaner organisiert werden. Das betreffe zuerst die Landwirtschaft. Das helfe „auch mental“ der Bevölkerung. Industriezweige, die nicht profitabel seien, darunter Bergwerke, werde die EU hingegen nicht in die Aufbaupläne einbeziehen. Auch müsse ein eigenes Zentralbanksystem für die Region entwickelt werden, um Bankgeschäfte und Hilfsgelder gegenüber Belgrad abzuschotten. Voraussichtlich wird dieses Geldsystem an die D-Mark angebunden.

„Dann können wir Mikrokredite vergeben, um die Bildung von kleinen Unternehmen zu fördern“, so der EU-Vertreter. Er räumte jedoch ein, daß bis zur Vergabe solcher Kredite „noch einige Zeit vergehen“ werde. Die Task Force wird auch eine neue rechtliche Basis ausarbeiten lassen, vor allem um Handels- und Investitionsverträge abzusichern.

Für dieses Jahr stehen zunächst 150 Millionen Euro für die Agentur bereit.Darüber hinaus plant die EU zwischen 500 und 700 Millionen Euro pro Jahr für die kommenden drei Jahre Wiederaufbau ein, inklusive der Gehälter für die Experten.

Doch diese Summen basieren derzeit ausschließlich auf Schätzungen des italienischen Managementunternehmens IMG, das auch in Bosnien aktiv war. Auch muß das Europäische Parlament der Umwidmung von „Obnova“ und damit der Vergabe der EU-Gelder für Kosovo noch zustimmen. Ohne eine Sondersitzung ist damit nicht vor September zu rechnen. Der Winter könnte darum schneller kommen, als die Aufbau-Agentur dort Fuß fassen kann.

Peter Sennekamp