Zweite Chance für das Dampfroß

■ Dampflokomotiven gelten als altmodisch. Moderne Technik kann sie aber rentabler und umweltfreundlicher als Dieselloks machen

Dampfloks haben das technische Zeitalter begründet, Kontinente erschlossen, Kriege ermöglicht und für den Wiederaufbau gesorgt – und was war der Dank? Nach über 150 Jahren wurde in den 50er und 60er Jahren die Dampflokentwicklung kurzerhand eingestellt. Nach 1945 war zwar noch groß in Dampflokfabriken investiert worden, hatten US-Ingenieure Dampfturbinenloks entwickelt und wollten mit stromlinienverkleideten Maschinen 250km/h erreichen – zur technischen Perfektion wurde aber keines der Projekte gebracht. Alle Welt setzte auf wartungsarmen Elektro- und Dieselbetrieb.

Nur in wirtschaftlich rückständigen Ländern mit eigenen Kohlevorkommen konnte sich Dampf länger im Bahnverkehr halten, zum Beispiel in der DDR bis 1988, in China bis heute. Entsprechend sieht das Image der Dampfrösser aus: hoffnungslos veraltet, fürs Museum. Dabei wird die zugrundeliegende Technik auch in modernen Kraftwerken eingesetzt, mit einem Wirkungsgrad von über 40 Prozent. Klassische Loks erreichen nur 12 Prozent.

Doch der Dampf könnte auch auf den Schienen Zukunft haben – etwa auf Nebenbahnen, wo eine Elektrifizierung zu teuer und Dieselbetrieb zu dreckig ist. In Entwicklungsländern können Dampfloks sogar auf Hauptstrecken wirtschaftlich sein. Das fanden die Südafrikanischen Eisenbahnen heraus, als sie nach den Ölkrisen der 70er Jahre eine alte Dampflok mit moderner Feuerungs- und Verbrennungstechnik umbauten. Die „Red Devil“ getaufte Lok erfüllte alle Erwartungen.

Bei der Erprobung des „Red Devil“ war auch der Schweizer Ingenieur Roger Waller beteiligt. Seither kämpft er in der „Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik“ (SLM) unermüdlich für die Entwicklung von „Modern-steam-Maschinen“. „Modern“ bedeutet für Waller: „mit heutiger Technik die Nachteile des Dampfantriebs beheben“ – den hohen Betriebsaufwand und starken Schadstoffausstoß.

Als „einzige Fabrik der Welt“ baut SLM jetzt wieder Dampfloks. Seit 1992 wurden in Winterthur für Bergbahnen in Österreich und der Schweiz acht Zahnraddampfloks produziert. Dieses Frühjahr konnte auch erstmals eine große Vollbahndampflok ausgeliefert werden: Ein Reisebüro will mit einer ehemaligen deutschen Reichsbahnlok Ausflugsfahrten veranstalten und ließ sie deshalb komplett umbauen, das heißt zu „80 Prozent neu bauen“.

Diese modernen Dampfloks brauchen keinen Heizer mehr – das spart Personalkosten. Die dikke Isolierung des Dampfkessels spart Energie und macht stundenlanges Vorheizen überflüssig. Die früher üblichen Gleitlager für Achsen und Stangen wurden durch wartungsfreie Rollenlager ersetzt – die ständige Öltropferei fällt weg. Statt Kohle wird nun extraleichtes Heizöl verfeuert – das ärgert zwar Fotografen, die vergeblich auf schwarzen Rauch warten, ist aber preiswerter als Diesel und sorgt für besonders gute Emissionswerte.

Die heutigen Dieselloks stoßen im Vergleich zu den neuen Dampfloks mehr als fünfmal soviel Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid oder Stickoxide aus. Allerdings weist Friedrich Schedel von der Universität Karlsruhe darauf hin, daß „die Deutsche Bahn keine modernen Dieselloks mit dieselelektrischem Antrieb, Katalysator und Rußfilter“ hat – auch beim Dieselbetrieb wären also noch Verbesserungen drin. Nachteile der Dampfloks seien weiterhin „der niedrige Wirkungsgrad und die schlechten Massenverhältnisse“.

Bisher haben die Winterthurer Dampflokbauer nur Loks für Touristenzüge verkauft. Die Bahnverwaltungen seien „unendlich konservativ“, klagen sie – geben aber nicht auf. Speziell für Entwicklungsländer, die kein Geld für Öl- und High-Tech-Importe haben, wollen sie Loks bauen, die mit kompakter Biomasse fahren. Schließlich fahren Plantagenbahnen immer schon mit Holz oder Zuckerrohr – warum sollte man die nicht mit moderner Technik verbessern können? SLM sucht jetzt Biomasse-Experten – und aufgeschlossene Finanziers. Martin Ebner