: Gibt es künftig auch an der WTO-Spitze Job-Sharing?
■ Kompromißvorschlag zur Besetzung des Chefpostens in der Welthandelsorganisation
Berlin (taz) – Die Idee lag eigentlich nahe – sie entspricht dem Modell Europäische Zentralbank, das EZB-Präsident Wim Duisenberg und sein designierter Nachfolger Jean-Claude Trichet derzeit erproben: Wie diese beiden sollen sich auch der thailändische Ministerpräsident Supachai Panitchpakdi und sein ehemaliger Kollege in Neusseeland, Michael Moore, künftig einen Job teilen – den an der Spitze der Welthandelsorganisation (WTO).
Mit diesem Kompromißvorschlag hat die australische Regierung am Dienstag versucht, Bewegung in die seit Monaten andauernde WTO-Führungskrise zu bringen. Der Posten ist seit dem Rücktritt des Italieners Renato Ende April verwaist, zumal auch die Verträge der Stellvertreter ausgelaufen sind. Sowohl Supachai als auch Moore sollen sich bereits mit einem Job-Sharing einverstanden erklärt haben. Unklar ist allerdings, ob sie sich in der Mitte oder erst nach Ablauf der vierjährigen Amtsperiode abwechseln wollen.
Bislang hatten sich die 134 Mitgliedsstaaten nicht auf einen der beiden Kandidaten einigen können, auch wenn bereits Mitte April kolportiert worden war, daß rund 93 Prozent nicht mehr grundsätzlich abgeneigt seien, sich auf den Vorschlag der Gegenseite einzulassen – die restlichen sieben Prozent hatten ein Veto angekündigt.
Moore wie Supachai haben jeweils etwa die Hälfte der WTO-Mitglieder hinter sich. Moore, der als linker Politiker galt, bis er Neuseeland in den 80er Jahren ein radikales Deregulierungsprogramm aufstülpte, wird unter anderem von Deutschland und den USA unterstützt. Er ist ein entschiedener Gegner von Agrarprotektionismus. Andererseits hat er erklärt, er werde sich dafür stark machen, daß in der WTO künftig auch über verbindliche Sozial- und Umweltstandards geredet – und entschieden – wird.
Supachai weiß Japan, Großbritannien und wichtige Entwicklungsländer wie Ägypten und Indien hinter sich. Er gilt als Vertreter eines reinen Wirtschaftsliberalismus und spielte eine zentrale Rolle bei den thailändischen Wirtschaftsreformen. Beate Willms
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