K&K erneuern Ehe

■ Die erste Partie seit drei Jahren zwischen Kasparow und Karpow endet mit einem Remis

Frankfurt (taz) – „Sie haben mehr Energie aufeinander verwendet als manches Ehepaar“, rechnete Großmeister Helmut Pfleger aus. In 167 Partien saßen sich Garri Kasparow (36) und Anatoli Karpow (48) gegenüber. Das ergibt über 30 Tage, die die beiden Schach-Weltmeister zusammen am Brett verbrachten. Dazu haben sie sich noch „Monate und Jahre vorbereitet und miteinander beschäftigt, um den Erzrivalen zu bezwingen“, weiß Pfleger.

Trotz aller Intensität, mit der sich die Moskauer Aufmerksamkeit schenkten, kam es nie zu einer Liebeserklärung. Die Zwangsehe, die bei fünf WM-Kämpfen geschmiedet wurde, wich 1996 einer freiwilligen Trennung, nachdem sich K&K auch beim Turnier in Las Palmas nicht mehr riechen konnten. Am Dienstag abend traf sich das ungleiche Paar wieder. Nachdem Karpow im Vorjahr noch kniff, fand Hans-Walter Schmitt, Organisator der Frankfurt Chess Classic, den einzigen Kitt: Hohe fünfstellige Beträge lockten die beiden an einen Tisch.

Die Atmosphäre war eigentümlich in der Ballsporthalle. Jeder Zuschauer spürte die Anspannung. Das zweite Brett, an dem sich „nur“ der Weltranglisten-Zweite Viswanathan Anand und der -Dritte Wladimir Kramnik maßen, interessierte keinen. Die beiden russischen Stars wurden vom Publikum mit ähnlich ausgiebigem Applaus begrüßt, ihr Tête-à-tête aber fiel kühl aus. Während der Präsentation würdigten sich K&K keines Blickes. Vor allem Karpow schien wehmütig an bessere Zeiten zurückzudenken, als noch er als „der“ Weltmeister angekündigt wurde. Diese Würdigung erfuhr nun Kasparow, nachdem er sich tags zuvor pikiert gezeigt hatte, weil er mit dem Champion des Weltverbandes Fide in einen Topf geworfen wurde.

Gegenüber Bundesinnenminister Otto Schily, der in einer Simultanpartie Kasparow 30 Züge standhielt, höhnte der Weltranglisten-Erste: „Der zählt doch nicht einmal mehr zu den Top 20!“ Ein Satz, der ihm fast im Halse stecken bleiben sollte. Ein flüchtiger Händedruck vor der Medienschar, um die Etikette zu wahren, dann riß Kasparow die Initiative an sich. Doch wie in besten Zeiten ließ der Weltranglisten-Neunte alle Attakken wie Wasser an sich abperlen.

Nur benötigte der Defensivkünstler dafür Zeit, sehr viel Zeit. Trotzdem versank Kasparow immer tiefer im eigenen Figurenknäuel. Unzufrieden schüttelte er nach seinem 25. Zug, den Kopf. Die behaarten Hände preßten die Backen, so als ob nun das letzte aus dem Gehirn herausgequetscht werden müßte. Als Karpow nur noch 26 Sekunden seiner 25minütige Bedenkzeit übrig blieben, überwand Kasparow seinen Stolz und offerierte ein Remis. „Die Gewinnstellung hätte er nicht mehr verwerten können“, redete er die Punkteteilung schön. Karpow war's egal. Lächelnd nahm er das Remis-Angebot an, während Kasparow so grimmig dreinschaute, als habe er drei Holztürme verschluckt. Hartmut Metz