Ist Pastor Fliege noch zu retten?

■ Der ARD-Talker muß gehen, sagen die Bayern. „Der Mann trifft den Nerv der Zeit“, findet Programmchef Struve

Jetzt kann nur noch der Herr helfen! Das gilt schon lange für den ARD-Talkmaster und beurlaubten Pastor Jürgen Fliege, der sich als „Manager im Namen Gottes“ versteht, wenn man seinem gestrigen Sendungstitel glauben darf. Aber auch die Runde der zehn ARD-Fernsehchefs muß am 12. Juli auf höheren Beistand hoffen. Dann soll in vertrauter Disharmonie mit Günter Struve, dem Programmdirektor des Ersten, die Frage geklärt werden: Ist Fliege noch zu retten?

Dessen Vertrag werde nach 1999 nicht verlängert, „entschied“ zur allgemeinen Überraschung vorgestern der Fernsehchef des gottesfürchtigen Bayerischen Rundfunks, Gerhard Fuchs, überdies auch noch „Familienkoordinator“ der ARD. Das sind zwei mächtige Posten, mächtiger ist aber wohl der von Günter Struve, einem Mann preußischer Herkunft. Und der hat die Entscheidung des Bayern „revidiert“, wie die Nachrichtenagentur dpa nach einem Gespräch mit Struve meldete. Endgültig befinden soll nun die Runde am 12. Juli.

Worum es geht: Um „mißverständliche Äußerungen“ Flieges, sagt Struve. „Äußerungen“, sagt Fuchs, „die keine Basis für eine Vertragsverlängerung“ seien. Ausgerechnet in Penthouse hatte Fliege Gott einen „alten Gangster“, genannt, allerdings „liebevoll“, wie er betont. Derlei sagt der Talker des öfteren. Auch gehört es zu seinem Job, der guten alten Religion ein fernsehtaugliches Antlitz zu geben. Aber diesmal war für die Bayern einmal zuviel.

Gründe, Fliege in die Wüste zu schicken, gibt es ohnedies genug: Talkfiguren wie die seine scheinen sich überholt zu haben, die Quoten bröckelten in letzter Zeit massiv (von knapp 17 Prozent zu Jahresbeginn 1998 auf zuletzt rund 12 Prozent), und auch die Zuschauerschaft ist für Struves durchkonzipiertes Programm längst zu tantig. Und selbst bei den bibelfesten älteren Damem habe Fliege an Glaubwürdigkeit verloren, sagen Fliege-Gegner, nachdem die Boulevardpresse Flieges Unfall an der Seite eines jungen blonden Dings vermeldet hatte. Struve wehrt ab: „Montag hatte ,Fliege‘ 14,4 Prozent Marktanteil“, jubelte er gestern auf taz-Anfrage, „er gehört zu den Protagonisten, die mit ihren Themen den Nerv der Zeit treffen.“ Zwar berichten Flieges Kritiker, der Programmdirektor habe auch schon erwägt, Fliege zu entsorgen. Und in einem Zeitungsinterview mäkelte Flieges Entdecker auch kaum verbrämt an dessen Themen herum.

Aber dem Programmchef fehlt einstweilen eine Alternative für den Sendeplatz. Und kleine Machtproben mit ARD-Fernsehdirektoren sind Struves Lebenselixier. Nun versucht er offenbar, den Theologen zu einer versöhnlichen Geste und Fuchs im Gegenzug zur Vergebung zu bewegen. „Wie kommt Fuchs da ohne Gesichtsverlust wieder raus?“ fragt man sich an der Spitze einer anderen großen ARD-Anstalt. Schon geht es nicht mehr um Fliege. Sondern um die ARD. So ist es immer. lm