„Vertrau nie einer Frau!“

■ Laetitia Masson wirft in ihrem zweiten Film „Zu verkaufen“ einen tristen Männerblick auf Frauenprobleme. Als Mittelteil einer Trilogie wirkt er wie ein Mittel zum Zweck

Eine Trauung in Frankreich. Die Hochzeitsgesellschaft ist versammelt, das üppige Büffet aufgebaut, der Bräutigam steht klein, kahl und herausgeputzt vor dem Altar. Fehlt nur die junge Braut (Sandrine Kiberlain). Doch die bleibt fern und unauffindbar. Also bittet der Beinahe-Ehemann (Jean-François Stevenin) seinen guten Freund, den glücklosen, etwas nach Halbwelt riechenden Rechtsanwalt Luigi Primo (Sergio Castellito), France zu suchen. „Vertrau nie einer Frau!“ versichern sich die Freunde noch, bevor sich Luigi auf die Suche macht.

Zunächst spürt der spröde Anwalt im trostlosen französischen Hinterland Frances vermeintlich „tote“ Eltern auf. „Liebten Sie sie?“ fragt Luigi und bekommt ein eher mechanisches „Ja, natürlich“ zur Antwort. Kein Wunder, sagen die immer wieder eingestreuten Rückblicke, die Schlaglichter auf Frances Leben werfen, daß die junge Frau von hier abgehauen ist.

Mühsam folgt Luigi der Odyssee seiner „Zielperson“ und zeichnet so die Biographie einer jungen Frau nach, die selbstbewußt und stolz genug ist, sich nicht jeder Lüge, jedem Mißbrauch auszuliefern, aber auch pragmatisch (und verzweifelt) genug, sich auf eher fragwürdige Arrangements einzulassen.

Das mag das Ziel von Regisseurin Laetitia Masson gewesen sein: zu zeigen, daß Frauen vom Leben im allgemeinen und den Männern im besonderen verraten, ge- und mißbraucht werden. Und daß Frauen, die sich dagegen behaupten können, nicht mit Anerkennung und Respekt, sondern allenfalls mit Mißtrauen und Verachtung zu rechnen haben. Wenn France sich zum Abendessen mit einem Bankangestellten trifft, der ihr den nötigen Kredit verweigert hat, und sie ihm Sex nur für Bargeld anbietet, ist das zwar konsequent, macht sie in den Augen des Bankers aber auch zur Nutte.

Auf eine Art setzen Laetita Masson und Sandrine Kiberlain damit fort, was sie mit „En Avoir (ou pas)“, „Haben (oder nicht)“, vor vier Jahren erzählt haben. Damals flüchtete Alice (Kiberlain) vom flachen Land nach Lyon, versuchte einen Neuanfang und ließ sich dabei auch nicht von Liebhabern in neue Abhängigkeiten drängen. Die unsentimentale Erzählweise von „En Avoir (ou pas)“ ist in dem neuen Film einer radikalen, fast schmerzhaften Tristesse gewichen, in der die Frauen unsympathisch und die Männer Schweine sind.

Eine Szene, in der France von ihrem Arbeitgeber auf den Wohnzimmertisch geworfen und vergewaltigt wird und sie das dann offensichtlich doch genießt, eröffnet einige Interpretationsmöglichkeiten. Ein pornographischer Beigeschmack bleibt.

Vielleicht hat sich Laetitia Masson übernommen, weil sie eben nicht nur Frances wenig erfreuliches Leben nachzeichnet, sondern auch Luigis desolate Gefühlswelt skizziert. Nach einer eher schmerzhaften Scheidung besucht er das Haus, in dem nun seine Exfrau mit ihrem Sohn und einem anderen Kerl wohnt. „Warum soll man lieben?“ fragt sich der Anwalt, bevor er eine peinliche Szene veranstaltet. „Um irgendwann vor einem Haus zu stehen, das einem mal gehörte und zu dem man keinen Schlüssel mehr hat?“ Überhaupt bleibt das Gefühl zurück, daß in „A Vendre“ ein Männerblick auf Frauenprobleme geworfen wird. Ein Kompliment für eine Regisseurin?

Zum Schluß sitzt France in New York, ohne Geld und ohne echte Perspektive. Spätestens da kommt der Verdacht auf, daß der Film, erklärtermaßen zweiter Teil einer Trilogie „über Arbeit, Geld und Liebe“, nur die Brücke schlagen sollte zu Laetitia Massons nächstem Streifen, „Only You“. Da wirkt der eher zwiespältige „A vendre“ plötzlich wie ein Mittel zum Zweck. Thomas Klein

„Zu verkaufen“. Regie und Buch: Laetitia Masson. Mit Sandrine Kiberlain, Sergio Castellito u.a. Frankreich 1999, 117 Min.