■ Jürgen Trittin und die neue grüne Parteilinie
: Die Westentaschenmachiavellis

Adenauer hat recht behalten – nicht nur wegen der Westbindung. Wie steigerte er doch jenen fürs politische Leben so wichtigen Begriff? „Feind, Todfeind, Parteifreund.“ Die Rücktrittsforderung Cohn-Bendits, Metzgers und Scheels an Jürgen Trittin sind nicht nur parteischädlich – das kann bei meinungsfreudigen Grünen vorkommen –, sondern gradezu unappetitlich. Wird doch der Mann, der nie Minister geworden wäre, wenn die Partei ihrer Frauenquote die Treue gehalten hätte, für eben das gescholten, was seine Kritiker sehnlichst erstreben: die totale Unterwerfung der Politik unter die Industrie.

Von der illusionären Hoffnung freilich, daß die im Grundgesetz nicht vorgesehene Nebenregierung „Bündnis für Arbeit“ tatsächlich Arbeitsplätze schaffen werde, anstatt Rationalisierungsgewinne einzustreichen, dürfte der gelernte Marxist Trittin frei sein. Das trägt ihm den Haß seiner Kritiker ein. Mochte man sich über den Krieg gegen die Jugoslawen noch in Würde streiten, so stellt das illusionslose Einknicken Trittins in der Altautorücknahme nun definitiv das Ende des grünen Projekts dar. Man halte sich vor Augen: Alle EU-Mitglieder stimmen einer Regelung zu, die mittelfristig das immer wieder beschworene Prinzip der Nachhaltigkeit wenigstens beim Automobilbau gestärkt hätte – und ausgerechnet die rot-grün regierte Bundesrepublik bringt dieses Vorhaben zu Fall. Das war nicht nur europafeindlich, sondern antiökologisch. Von „Nachhaltigkeit“ soll in Zukunft bei den Grünen, seien es die handzahmen Jungliberalen um Berninger und Özdemir, oder jene Programmerneuerer, die die Begriffe Freiheit, Gerechtigkeit, Basisdemokratie und Gewaltfreiheit für obsolet halten, in Zukunft niemand mehr reden.

Mit dem Kippen der Altautoverordnung hat sich die Nachhaltigkeitsdebatte als das erwiesen, was sie immer war: ein ideologischer Mantel für die Einführung des Kapitaldeckungsprinzips in der Rente. Jürgen Trittin aber, der sich gerne als zähen Knochen sieht, ruft uns in Erinnerung, was man in den marxistisch-leninistischen Zirkeln der alten Bundesrepublik so alles lernen konnte: Einsicht in die Notwendigkeit, Stehen zur Parteilinie bis zum Umfallen – und die Überzeugung, daß jede noch so korrumpierte Macht besser ist als gar keine. Schließlich sei den Wohlmeinenden, die sich auf Joschka Fischers Solidaritätserklärung für Trittin berufen, gesagt, daß das wohl das Schlimmste war, was ihm überhaupt passieren konnte. Merke: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Micha Brumlik