Doch wieder raus aus der neuen Mitte

■ Die linken Junggrünen kontern das Realopapier mit einer klaren Absage an die grüne Partei als „Dienstleistungsunternehmen“

Sie hatten nicht viel Zeit. Von Montag bis gestern tüftelten junge Linke um den bündnisgrünen Abgeordneten Christian Simmert an einer Antwort auf das provokante Thesenpapier der Jungrealos vom Wochenende. Der Forderung der Realo-Jugend, die FDP zu beerben und Teile der Mitgliederschaft auszuwechseln, stellten Simmert und FreundInnen das Motto „Raus aus der neuen Mitte“ entgegen. Und wie die Realos haben auch bei diesem Gegenentwurf 40 Junggrüne, darunter die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke und die Europa-Abgeordnete Ilka Schröder, unterschrieben.

In ihrem Contrapapier zu dem Aufruf von Grünen um Matthias Berninger und Cem Özdemir, das die Linken als „Dokument des Fiaskos“ bezeichnen, heißt es: „Wir wollen keine Partei als Dienstleistungsunternehmen.“ Und „politische Beliebigkeit und aufgesetzte Generationskonflikte“ brächten die Grünen „keinen Zentimeter weiter“.

Sie werfen den 40 „Funktionären“ aus dem Realolager vor, Richtungsstreit angezettelt zu haben. „Dieser zweiten Generation fühlen wir uns nicht verbunden“, schreiben sie. Man sei aber „offen, an bestehende Debatten anzuknüpfen und neue zu beginnen“. Doch könne es nicht um eine grüne Partei „als Selbstzweck“ gehen, sondern um „Perspektiven einer jungen Generation, die nichts anderes als 16 Jahre Perspektivlosigkeit kannte“.

An dem Thesenpapier der Realos vermissen Simmert und Co konkrete Inhalte. Als Linke fordern sie indes die „flächendeckende Bereitstellung von Ausbildungsplätzen“, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, den sofortigen Atomausstieg und dasVerbot von Studiengebühren.

Junge Leute, sind sie überzeugt, seien nicht nur an der Gestaltung der Staatsfinanzen interessiert, sondern beispielsweise auch an einer „dauerhaften Perspektive für eine eigenständige Existenzsicherung“. Nach 16 Jahren Kohl habe man sich „nicht nur ein Macht-, sondern auch ein Regierungswechsel“ erwartet, kritisieren sie die bisherige Leistung der rot-grünen Koalition.

Die zum linken Parteiflügel zählende Vorstandssprecherin Antje Radcke findet Gefallen an dem neuen Papier. Die Grünen müßten nun zweigleisig mit dem Erbe der Kohl-Ära und ihren eigenen Querelen umgehen: Einerseits müßten sich die Grünen in der Koalition besser positionieren. Andererseits müsse sich die Partei auf die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm im Herbst vorbereiten. Dabei dürfe „auch gestritten werden“, so Radcke. Die Vorstandssprecherin findet es darüber hinaus „spannend, welches Spektrum sich bei den Grünen vereinigt“.

Positiv äußerte sich gestern auch die Parteilinke Annelie Buntenbach zu dem neuen Aufruf des linken Nachwuchses. „Rot-Grün ist den Politikwechsel schuldig geblieben“, so die Grünen-Abgeordnete. Deshalb sei sie „erfreut, daß sich auch andere Grüne zu Wort melden und die Zielrichtung klar benennen“. Während bei dem Realopapier nicht deutlich geworden sei, warum sich das Engagement der Grünen wieder lohnen solle, stelle Simmert „die Fragen, um die es geht“.

Sebastian Sedlmayr, Bonn

„Politische Beliebigkeit und aufgesetzte Generationskonflikte bringen die Grünen keinen Zentimeter weiter.“