Und die Komantschen machen La Ola

Bei Manitou! Am Dienstag hat die Kulisse der Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg gebrannt, seit gestern reiten Winnetou und Old Shatterhand wieder  ■ Von Peter Ahrens

Indianer weinen nicht. Ist so, das weiß man. Indianer stellen sich statt dessen hin und sagen wichtige Sätze wie: „Wir lassen uns nicht unterkriegen.“ Das sagt Pierre Brice. Der ist zwar eher Franzose, aber als Ur-Winnetou quasi Gesinnungs-Indianer. Da mögen Plastikberge in sich zusammenschmelzen, da mag der böse weiße Mann – oder wer sonst noch Schuld hat (Manitou?) am Brand bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen – noch so sehr sein Unwesen treiben. Egal. Am Dienstag ist ein Großteil der Kulisse abgefackelt, und gestern nachmittag reiten Winnetou und Old Shatterhand bei der Aufführung von Karl Mays „Halbblut“ schon wieder.

Irgendwie hätte man es ahnen können. In dem Genre wimmelt es von Feuerroß, Feuerwasser, Lagerfeuer und Feuerauge. Da mußte so etwas ja mal passieren. Zwei Millionen Mark Sachschaden ist durch den Brand entstanden, schätzt die Polizei und tippt inzwischen auf Brandstiftung. Regisseur Pierre Brice und sein Team nehmen es, wie es Western-Leute nun einmal nehmen, nach der Methode: „Es ist nur ein Kratzer, Schatz.“ Wen man fragt, die Antwort kommt wie aus einer Gebetsmühle: „Die Spiele müssen weitergehen.“ Zwei Szenen werden umgestellt, das Finale geändert, und sonst bleibt in Bad Segeberg alles, so wie es immer war: Indianer reiten, Cowboys schießen, Schurken sind böse, und Winnetou ist gut. So wie sich der deutsche Biedermann Karl May die Gerechtigkeit vorgestellt hat.

Bleibt fast alles, wie es immer war. „Ist aber mal richtig voll heute und nicht so mau wie an anderen Nachmittagen“, sagt der Mann, der das Eis verteilt. Und auch an der Kasse heißt es: „Mehr Nachfrage als sonst. Viele Schaulustige eben wegen der Brandgeschichte.“ Das wollen die aber gar nicht so gerne hören. Schließlich läßt sich niemand gerne als Gaffer bezeichnen. Längst geplant gewesen sei der Ausflug nach Bad Segeberg, und überhaupt sei man nur wegen der Kinder da, die das alles mal sehen wollten. Die Kleinen sind denn auch die einzigen, die ungeniert die Hälse recken und nach Brandspuren fragen.

Die Hälse können wieder eingefahren werden. So viel sieht man nämlich gar nicht. Der Plastikberg ist weg, und am Rande stehen ein paar verkohlte Bäume. Das ist es aber auch schon. Und natürlich die Bundeswehr: Soldaten aus Bad Segeberg schuften noch bis kurz vor Beginn der Vorstellung, schaufeln artig Sand und fahren Schubkarren von Totempfahl zu Totempfahl. Es ist ein langer Weg von der Kavallerie, die die Dörfer der Indianer in Schutt und Asche gelegt hat, bis zur Bundeswehr, die dem Indianerhäuptling brav den Sand vor den Zelteingang harkt. „Ich liebe die Soldaten“, verkündet Pierre Brice, alle klatschen, und die Komantschen machen die Ola-Welle. Man habe sich sofort bereit erklärt, am Wiederaufbau mitzuhelfen, hat der Kommandeur gesagt. Und so kann die Bundeswehr schon mal für größere Aufgaben üben, wie das geht mit dem Wiederaufbau. In den Schluchten des Balkan.

Pierre Brice fühlt sich derweil gar an 1945 erinnert. „Da waren Deutschland und Frankreich auch zerstört, und die Leute haben nicht aufgegeben.“ Ganz so schlimm sieht es in Bad Segeberg in diesen Tagen allerdings nicht aus.

Den Schauspielern ist es ohnehin gleichgültig. Die spielen ihren Part auch ohne Plastikberg. Nachdem Elke Sommer am Dienstag noch Gott (Manitou!) angefleht hat, wie sie der Presse anvertraute, chargiert sie gestern wieder routiniert wie eh und je. Und Gojko Mitic als Apachenhäuptling war schon der DDR-Winnetou und von daher ohnehin Mangelverwaltung bestens gewohnt.

„Meinem Kleinen ist es sowieso egal, ob das hier jetzt spektakulär mit Berg ist oder ohne“, sagt ein Papa. Was den Jungs viel wichtiger ist: Nach der Vorstellung gibt es den Henrystutzen für 59,90 Mark zu kaufen oder ein Pierre Brice-Poster für sieben Mark. Ganz unten im Karl-May-Shop liegt die Schallplatte von einem singenden Cowboy. Der heißt Bob Whitney und die Platte heißt: „I'm still living.“ Das können die Veranstalter der Karl-May-Festspiele mitsingen.