„Mann für Mann“

Bernd-Ulrich Hergemöller ist seit 1996 Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg. Das allein verdient noch keine Erwähnung, aber der in Münster geborene Historiker hat ein Lexikon geschrieben, das „Mann für Mann“ heißt und ein „biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mann-männlicher Sexualität im deutschen Sprachraum“ (Männerschwarmskript, Hamburg 1999, 916 S., 168 Mark) ist. Der Autor darf so selbstbewußt sein, zu behaupten, er sei „der einzige deutsche Geschichtsprofessor, der sich systematisch der Geschichte der Homosexualität widmet und sein persönliches erkenntnisleitendes Interesse nicht verschleiert“. Denn mit diesem Satz auf Seite 911 hat er völlig recht.

Es ist ein schweres Verzeichnis geworden, was nicht heißt, daß es schwer zu verstehen ist. Es enthält von Abert, Joseph Friedrich (Archivdirektor, Historiker, 1879 – 1959) bis Zwilling, Jakob (Offizier, Philosoph, 1776 – 1809) alle prominenten und halbprominenten männlichen Personen aus der deutschen Geschichte, deren Homosexualität zwar oft kein Gegenstand öffentlicher Erörterung war, die aber als zweifelsfrei homoerotisch oder homosexuell recherchiert werden konnte. Und Hergemöller ist in diesen klatschhaften Zeiten sogar das Kunststück gelungen, die Biographien der Schar schwuler Männer so zu notieren, daß jeder Hautgout von bösem Tratsch fehlt.

Mehr noch: Der Anspruch war ja, die Werke der Schriftsteller, Theologen und Künstler im souveränen Zusammenhang ihrer sexuellen Orientierungen lesen zu können; also Homosexualität nicht zu verschweigen. Das ist eine Übung, die man bereits aus dem Feminismus kennt: Das Frausein nicht als zufällige Dreingabe, sondern als Voraussetzung der Arbeit von Frauen zu nehmen und zu erkennen. Im Zusammenhang mit Homosexualität ist eine solche umfassende Analyse noch nicht geleistet worden. Dies ist viel mehr, als jedes verzweifelte Outing bislang vermocht hat: Die Homosexualität nicht mehr verschweigen zu wollen. JaF