Wenigstens die Ministervilla ist echt

In der Elfenbeinküste macht die EU vor, wie Entwicklungshilfe nicht funktionieren darf. Erst jetzt hat sie gemerkt, daß ihre Hilfsgelder für Gesundheitsprogramme jahrelang in Millionenhöhe veruntreut worden sind    ■ Von Eva-Maria Dirnhofer

Hamburg (taz) – Irre, könnte man meinen. Da zahlen Leute in der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) für Waren und Dienstleistungen bis zum 37fachen des ortsüblichen Preises und wollen noch daran verdienen. Doch weit gefehlt, die Leute sind nicht krank. Sie machen das sogar unter der Verantwortung und Kontrolle des ivoirischen Gesundheitsministers Maurice Kacou Guikahu. Und natürlich war es nicht ihr Geld, das sie da ausgaben, sondern es stammte aus Hilfsfonds der EU.

Damit die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in dem westafrikanischen Land nicht zu sehr zu Lasten der Ärmsten gehen sollten, hat der Europäische Entwicklungsfonds in der Elfenbeinküste seit 1992 soziale Ausgleichsprogramme in Höhe von 50 Milliarden CFA-Franc finanziert – umgerechnet rund 160 Millionen Mark. Dieses Geld ist vor allem für Investitionen ins Gesundheitswesen vorgesehen, etwa für Ambulanzdienste, öffentliche Apotheken, Gesundheitsstationen, Familienplanung und Aids-Vorbeugung.

Weil auch nach mehreren Jahren wenig davon zu sehen war und auf präzise Nachfragen immer nur vage Antworten folgten, schickte die EU vom 29. März bis 8. Mai dieses Jahres fünf Revisoren nach Abidjan, die im Schnelldurchgang die Belege aus den Jahren 1995 bis 1997 prüften. Und siehe da, von den 50 Milliarden CFA waren 47,8 Milliarden tatsächlich ausgegeben worden. Zum Beispiel bezahlte das Gesundheitsministerium für einfache Stethoskope, die in Abidjan rund 25 Mark kosten, rund 520 Mark pro Stück. Petroleumlampen standen mit je 156 Mark auf der Rechnung. Im Laden um die Ecke kosten sie 9 Mark.

„Systematisch“, so die Revisoren in ihrem vorläufigen Bericht, hätten die Gesundheitsbehörden öffentliche Ausschreibungen vermieden, die bei Summen über 15 Millionen CFA (50.000 Mark) obligatorisch sind. Höhere Beträge seien einfach in kleinere Rechnungen unterteilt worden. Aufträge wurden gezielt an eine bestimmte Klientel vergeben und dann von den Auftragnehmern zu hoch berechnet. Bei einer Reihe von Rechnungen fehlten Datum und Rechnungsnummer sowie die Belege der Auftragsvergabe und Lieferungen. In einigen Kliniken sind Teile der verbuchten Ausrüstungen gar nicht angekommen. Und es bleibt weitgehend unklar, was mit umgerechnet rund 250.000 Mark für die Aids-Bekämpfung und gut 150.000 Mark für die Familienplanung gemacht wurde.

Als die Zeitung Le Jour Teile des Prüfungsberichts veröffentlichte, verteidigte sich Laurent A. N'Cho, der Leiter des Rechnungswesens des Gesundheitsministeriums: Es gebe doch extra eine Kommission zur Kontrolle der Teilnehmer des Programms, in der auch Vetreter der EU säßen. Und die hätten niemals Einwände erhoben. Die deutsche lokale Vertreterin der EU, Gabriele von Brochowski, mochte dazu keinen Kommentar abgeben. Einer ihrer Mitarbeiter lästerte denn auch, daß die sich lieber auf Dorffesten mit wallenden Gewändern beschenken lasse und es ansonsten „gelungen sei, sie von allen wichtigen Dossiers fernzuhalten“.

Jedenfalls war es offensichtlich sehr leicht, ein hübsches Sümmchen von umgerechnet 54,5 Millionen Mark – so die Ermittlung der Buchprüfer – beiseite zu schaffen. Die oppositionelle Zeitung Notre Voie begab sich auf die Suche nach dem verschwundenen Geld und hat schon eine Fundstelle ausgemacht: In Abengourou, dem Heimatort der Ehefrau des Gesundheitsministers, läßt diese gerade eine Luxusvilla errichten.

Aber nicht nur der Gesundheitsminister ist durch die Prüfungen in die Schußlinie geraten. Innenminister Emile Constant Bombet, der bislang beim Thema Korruption als der große Saubermann galt, hat ebenfalls Flecken auf seiner weißen Weste abbekommen.

Bombet ist nach dem Präsidenten wohl der mächtigste Mann im Land. Nicht nur, weil die Spitzelberichte der Staatssicherheit über Ivoirer und Ausländer im Land zunächst durch seine Hände gehen, bevor die gefilterten Zusammenfassungen den Präsidenten erreichen. Er kontrolliert auch die Präfekten und hat es vor allem geschafft, die Fäden der „Dezentralisierung“ zu ziehen, indem er seinen Vertrauten Pierre Kobo zum Leiter der „Dezentralisierungsagentur“ machte. Die Dezentralisierung ist ein Lieblingskind der westlichen Geberländer, für die sie auch viel Geld herausrücken. Aber auch bei diesem Programm wurden die Buchprüfer schnell fündig.

Ein Fotokopierer wurde statt mit 6 Millionen CFA mit 15 Millionen abgerechnet, ein Staubsauger mit 541.000 statt 118.000 CFA. Benzinrechnungen standen auf Fotokopien von Texaco-Briefköpfen, die mit Bleistift manipuliert waren. Bei der Dacherneuerung für ein Waisenhaus wurden 1.000 Quadratmeter berechnet, obwohl das Dach nur 400 hat. Und dreimal darf man raten, woher das Geld stammt, mit dem sich Kobo gerade einen Prachtpalast in Abidjan einrichtet, wie ihn kein ivorischer Beamter je von seinem lebenslangen Gehalt bauen könnte.

Erst im Januar war ein vertraulicher Bericht des IWF an die Presse gelangt, in dem beklagt wurde, daß die Regierung in Abidjan bei den Sozialausgaben spare, aber ansonsten exessive Haushaltspolitik betreibe. Der Fonds beklagte auch, daß offiziellen Zahlen der Regierung nicht zuverlässig und bei den staatlichen Einnahmen aus Kakao- und Kaffee-Aufkäufen offenbar umgerechnet rund 440 Millionen Mark „verschwunden“ seien. Sich auf Kosten von Kranken und Armen gesundzustoßen gehört bei den Herrschenden in Abidjan offenbar zur Routine.

So darf man gespannt sein, wie die Ausgaben und Einnahmen beim gerade laufenden Impfprogramm verbucht werden, an dem die deutsche „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) beteiligt ist. Importe für dieses Impfprogramm sollten nach ursprünglicher Zusicherung des ivoirischen Finanzministeriums zollfrei sein. Plötzlich war von Zollfreiheit nicht mehr die Rede, die KfW sollte 3 Millionen Mark nachschießen. Versetzen wir uns jetzt mal in die Lage eines kreativen ivoirischen Buchhalters. Könnte man an Stelle des Beleges für die Zolleinnahme nicht die Bescheinigung abheften, daß für das Impfprogramm Zollfreiheit vereinbart wurde?