Der häßliche Deutsche

Bangemann bei Telefonica, das ist selbst den Spaniern zuviel: „Völlig daneben und nicht hinzunehmen“   ■  Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – „Telefonica-Chef Villalonga wollte ein Tor schießen und hat dabei nicht bemerkt, daß er mächtig im Abseits steht“, kommentierte gestern der spanische Rundfunk. Nur drei Tage nachdem der Präsident der einstigen staatlichen Telefongesellschaft Spaniens, Juan Villalonga, den EU-Kommissar für Industrie und Telekommunikation, Martin Bangemann, stolz der Öffentlichkeit als „unseren Ronaldo“ für den Telefonica-Vorstand präsentierte, gilt Bangemann in Spanien als der häßliche Deutsche und der korrupte Europäer schlechthin.

Der mit zwei Millionen Mark im Jahr dotierte Vertrag Bangemanns, ausgerechnet mit einem Branchenriesen in dem Bereich, für den er in Brüssel verantwortlich war, sei „völlig daneben und nicht hinzunehmen“, wettert die Vorsitzende der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) im Europaparlament, Loyola de Palacio. Starke Worte für die Politikerin einer Partei, die bisher nie Kritik an Telefonica, dem größten spanischen multinationalen Konzern, übte.

In den vergangenen Monaten, in denen vermutlich der ehemalige FDP-Vorsitzende Bangemann bereits mit Telefonica über seinen neuen Arbeitsplatz im Vorstand verhandelte, hatte er als EU-Kommissar mehrere Fälle der Spanier auf seinem Tisch: eine Anzeige der Telefonica gegen die spanische Regierung in Sachen Tarifumstrukturierung sowie die Anzeige eines britischen Handy-Anbieters in Gibraltar gegen Telefonica, um deren Festnetz mitbenutzen zu können.

„Bangemann fehlt es am notwendigen Ethos, der von jemanden in einem öffentlichen Amt verlangt werden kann, erst recht, wenn er die Funktion noch ausübt“, sagt de Palacio. De Palacio verlangt einen neuen Verhaltenskodex für EU-Politiker. Ein Vorschlag, dem die finnische Regierung, die seit Monatsbeginn die EU-Präsidentschaft innehat, zustimmt.

Bangemann versucht zu beschwichtigen: „Ich werde kein privilegiertes Wissen aus meinem bisherigen Amt anwenden.“ Und: „Ich werde nicht für die Kontakte mit der EU-Kommission zuständig sein.“ Dabei hat Telefonica-Chef Villalonga, der mittlerweile dem gesamten Lateinamerikanischen Markt dominiert, seinen neuen Berater gerade für die Pflege seiner Beziehungen mit den Institutionen eingestellt.

Der designierte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi will sich der Frage der Unvereinbarkeit zwischen hohen öffentlichen und privaten Jobs annehmen. Sobald er die neuen Kommissare ins Amt eingeführt hat, sollen „klare Regeln“ verabschiedet werden, um für die Zukunft „ähnliche Konflikte zu vermeiden“. Unter anderem denkt Prodi über eine Karenzzeit nach, in der ehemalige Kommissare nicht in die Privatwirtschaft wechseln können. Der Italiener will damit endgültig das schlechte Image der EU-Institutionen, das er von seinem Vorgänger Jacques Santer erben wird, abschütteln.