Warme Worte für Walter

■  Die gebeutelte Berliner SPD schart sich auf ihrem Landesparteitag um den Spitzenkandidaten Walter Momper. Auch Kanzler Schröder verspricht: „Walter, du kannst dich auf mich verlassen“

Es gab einen Moment auf dem Parteitag der Berliner SPD, da war es im Saal ganz still. Es war ein Moment der Wahrheit zwischen all den Durchhalteparolen. „Manchmal hab' ich gedacht“, sagte SPD-Landeschef Peter Strieder, „ich greife nur noch in die Scheiße.“ Von einem „Rükkenwind“ für die Sozialdemokraten könne „nicht direkt“ die Rede sein: „Wir hatten nicht in allem eine glückliche Hand.“ Dann listete Strieder die Rückschläge der vergangenen Wochen auf: der Rücktritt Lafontaines kurz nach seinem Auftritt beim Wahlkampfauftakt der Berliner SPD, die Affäre um die illegal beschäftigte Putzfrau des Spitzenkandidaten Walter Momper, die Niederlage der Partei bei der Europawahl.

Geschickt verstand es der Parteichef, die 320 Delegierten bei ihrem Frust abzuholen – und sie auf den Weg der Zuversicht zu führen. „Ich habe Walter in der letzten Zeit bewundert“, sagte Strieder. Momper habe Nervenstärke gezeigt wie in den Tagen nach der Maueröffnung. Als Regierender Bürgermeister habe er damals „dafür gesorgt, daß die Situation friedlich geblieben ist“. Applaus.

99 Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 10. Oktober haben sich die Berliner Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag selbst Mut gemacht – nach Umfragen liegt die Landespartei derzeit nur bei 22 bis 25 Prozent.

Innere Geschlossenheit zu demonstrieren und sich offensiv hinter den Sparkurs der Bundesregierung zu stellen, darin sehen die Parteistrategen die einzige Hoffnung. Den Parteitag hatten sie als Krönungsmesse für den Spitzenkandidaten konzipiert, die kritische junge Garde der Kreisvorsitzenden rechtzeitig auf Kurs gebracht, jeglichen Disput ums Wahlprogramm vermieden.

Die Inszenierung verfehlte ihre Wirkung bei den Delegierten nicht. Nach der Rede des Spitzenkandidaten spendeten die meisten von ihnen stehende Ovationen – obwohl Walter Momper sein langes Referat wenig inspiriert vom Blatt abgelesen, er bis hin zu einzelnen Formulierungen nur wiederholt hatte, was er seit Wochen einem mäßig begeisterten Publikum zu vermitteln versucht. Er wolle immer noch Regierender Bürgermeister werden, hielt er den Zweiflern entgegen, „wenn ihr es wollt“ – und schon erhielt er minutenlangen Applaus. Da konnte sich kaum ein Genosse entziehen. „Auch ich bin aufgestanden“, sagte ein Momper-Kritiker, „aber ich hatte dabei ein schlechtes Gewissen.“ So war unterschwellig Nervosität spürbar. Parteichef Strieder mahnte die Genossen, bei Gesprächen mit der Presse nicht zu offenherzig Interna auszuplaudern.

Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing appellierte an die Genossen: „Man muß mit Machtwillen in den Wahlkampf gehen.“ Den vermisse sie zuweilen bei der Berliner SPD. Dann betrat einer den Saal, dem man mangelnden Machtwillen gewiß nicht vorwerfen kann. Mitten in der Generaldebatte über das Wahlprogramm erschien unter kräftigem Beifall Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Bühne. Er folgte zunächst der Debatte, so wollte es die Parteitagsregie. Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, die in Berlin schon seit drei Jahren einen eisernen Sparkurs fährt, stärkte Schröder den Rücken: „Der Kurs der Bundesregierung schafft die Voraussetzung, den Sozialstaat zu erhalten.“ Dem Kanzler wünschte sie „gute Nerven und Stehvermögen.“

Noch auf dem Weg in den Saal war Schröder die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Erstmals mußte der Bundeskanzler der Parteibasis das Spar- und Reformpaket der Bundesregierung näherbringen. Kaum begann er zu reden, gab es in den vorderen Reihen Gerangel um ein Juso-Transparent: „Modernisieren muß man richtig machen – mit Links“. Die Jusos wurden von Sicherheitsleuten und Genossen zunächst abgedrängt, Schröder reagierte locker: „Laßt sie doch mit ihrem Transparant.“ Schröder verkaufte das Reformprogramm nicht abstrakt wie zuvor Momper, sondern emotional. Die Renter seien durchaus zu Opfern bereit. Schröder malte das Bild von der Großmutter, deren Enkel sagt: „Danke Oma, du hast es auch für mich getan.“ Applaus.

Sehr persönliche Worte der Unterstützung fand Schröder auch für den Spitzenkandidaten. Der Kanzler erzählte, wie Walter Momper ihn 1990 im Wahlkampf unterstützte und kurzfristig als Redner für die Abschlußkundgebung einsprang. „Walter, ich habe mich auf dich verlassen können, und du kannst dich auf mich verlassen.“ Auch Schröder weiß: „Von der Fähigkeit, das Reformprogramm zu vermitteln, hängen die Umfragewerte ab.“ Und das Abschneiden bei der Berliner Wahl im Herbst. Ralph Bollmann, Dorothee Winden