Friedensverhandlungen in Nordirland in der Klemme

■ Zwar begrüßt der Präsident der IRA-nahen Partei Sinn Féin das Verhandlungsergebnis. Doch ohne die protestantischen Unionisten an Bord kann kein Friedensprozeß gelingen

Portadown (taz) – Es war der Tag der „Spin Doctors“: Sie mußten den nordirischen Friedensverhandlungen, die am Freitag abend nach fünf Tagen ergebnislos abgebrochen wurden, einen positiven Dreh geben, denn der britische Premierminister Tony Blair und sein irischer Kollege Bertie Ahern wollen nicht mit dem Scheitern der Gespräche in Verbindung gebracht werden, dazu haben sie zuviel Zeit und Energie investiert.

„Der Friedensprozeß ist sehr lebendig und auf Kurs“, heißt es in ihrer gemeinsamen Presseerklärung. Blair sprach von der „historischsten Chance für Frieden, die dieses Land seit Jahren und Jahren und Jahren gesehen“ habe. Ahern sagte: „Der Rubikon ist überschritten worden, die Menschen in Nordirland können nach dem schrecklichen Konflikt der letzten 30 Jahre nun mit einem Gefühl der Sicherheit in die Zukunft blicken.“

In Wirklichkeit ist den beiden Regierungschefs die Quadratur des Kreises nicht gelungen. Die Unionisten bestanden bis zum Schluß darauf, daß die IRA ihre Waffen abgibt, bevor ihr politischer Flügel Sinn Féin in die Mehrparteienregierung aufgenommen wird, wie es im Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 vorgesehen ist. Sinn Féin hatte dagegen die Abrüstung für einen Zeitpunkt nach dem Regierungseintritt angeboten. Blair und Ahern legten am Freitag einen Zeitplan vor, um den Friedensprozeß zu retten. So sollen die Ministerien am 15. Juli nach einem festgelegten Schema unter den vier Regierungsparteien verteilt werden. Einen Tag darauf soll das Londoner Unterhaus die Machtübertragung auf das Belfaster Regionalparlament beschließen, am 18. Juli würde sie in Kraft treten.

Bei der Waffenfrage ist das Papier eher vage: Die Abrüstung soll „innerhalb eines bestimmten Zeitraumes“ beginnen, der von der internationalen Kommission unter Leitung des kanadischen Generals John de Chastelain festgelegt wird. Die Kommission werde in regelmäßigen Abständen über Fortschritte berichten. Sollte die IRA ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, werde das Regionalparlament aufgelöst. Die Parteien haben zehn Tage Zeit, über das Papier zu entscheiden.

Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams befürwortete es am Freitag. „In einem letzten Versuch, das Mißtrauen zu überwinden, haben wir intensive Diskussionen geführt“, sagte er. „Das Ergebnis dieser Bemühungen ist, daß das Karfreitagsabkommen nun umgesetzt werden kann.“

Diejenigen, auf die es am meisten ankommt, reagierten negativ. Unionistenchef David Trimble sagte: „Ich denke, das Papier ist grundlegend mangelhaft, weil es Demokratie mit Terrorismus gleichsetzt.“ Sinn Féin benutze den Konjunktiv, wenn es um Abrüstung gehe, statt deutlich zu sagen, daß die IRA ihre Waffen herausrücken werde. Trimble fügte hinzu, daß er genauere Einzelheiten wissen müsse, bevor er endgültig entscheiden könne.

Bertie Ahern kündigte an, daß der vorgegebene Zeitplan auch dann eingehalten werde, wenn die Unionisten den Vorschlag ablehnen sollten. Das ist allerdings unwahrscheinlich, denn ohne die Unionisten an Bord ist eine nordirische Regierung gar nicht funktionsfähig. Ralf Sotscheck