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■ SchnittplatzDie Dämmerung der Schluchtenscheißer

Sie kriegen's auch nicht hin. Die ganzen Jahre brauchte man nur mit etwas Schmäh daherreden, schwupps bekam man einen Spitzenposten in einer hiesigen Redaktion. Da konnte man, von der Kärntner Kirchenzeitung kommend, an die Spitze der deutschen Illustriertenlegende Stern wechseln, oder vom ORF, wo eine der meistgesehenen Sendungen „Bundesland heute“ heißt, zu unserer blitzpolierten Renditemaschine RTL. Die Wiener Brauerei Gössinger, deren Produkt so schmeckt, wie sich der Stern das letzte halbe Jahr las, baute ein Exportgeschäft extra für Hamburger Edelschuppen in Redaktionsnähe auf. Es hatte in den Achtzigern begonnen, als es deutsche Verlage aufgegeben hatten, sich neue Zeitschriften auszudenken. Doch zwischen den Bergen war die Langeweile so groß, daß man viele Sinnlosigkeiten ersann und das Ergebnis, wie ein Würstchen Wiener nannte. Weil sie da Berichte mehr mit der Reklame verquirlten, als man es sich hier getraut hätte, hatten Österreicher in deutschen Verlagen bald den Ruf der Genialität. Die Schluchtenscheißerdämmerung begann, als Helmut Thoma bei RTL abserviert wurde. Zwar wurde er durch einen Landsmann ersetzt, aber der agiert, als sei er Ostwestfale. Als nächstes traf es Michael Maier beim Stern, der sich Blattmacher-Rat schon mal beim „Österreichischen Bundesverband für Psychologie“ holte. Endlich faßte Zeit-Chef Roger de Weck (ein Schweizer!) Mut. Der wollte schon lange Sigrid Löffler feuern, seine österreichische Feuilletonchefin, wußte nur noch nicht, wen genau als Ersatz nehmen. Erschüttert berichtet nun der Wiener Standard von der in Hamburg ausgebrochenen „Legionärskrankheit“. Und in News fiel Löffler in der Rubrik „Die 500 wichtigsten Österreicher“ von Rang 381 auf 301. Das aber sind deren nationale Angelegenheiten. Wir haben ein anderes Problem: Niemand kann die Österreicher ersetzen: Das ganze Ausmaß der Verzweiflung findet sich einmal mehr in Focus: Der bringt sogar Staatsminister Michael Naumann als Ersatz ins Gespräch – an der Stern-Spitze! lm

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