Berichtigung

Der Streit findet außer Haus statt. Nicht in Weimar, sondern in Berlin diskutiert man das Debakel der „Moderne“-Ausstellung. Statt sich dort im kunstgeschichtlichen Rahmen zu positionieren und ein Podium im Museum, etwa dem Hamburger Bahnhof, zu suchen, wird die Veranstaltung von der SPD-eigenen Friedrich-Ebert-Stiftung ausgetragen – ohne die Weimarer Kuratoren, dafür mit Museumsdirektoren aus Leipzig, Kunstkritikern aus Berlin oder Frankfurt und zwei betroffenen Malern aus dem Osten.

Die Grenzziehung hat Methode. Man könne nicht mit Ausstellungsmachern reden, die nur Klischees über DDR-Kunst verbreiten, so die Begründung. Bazon Brock, der Mentor des Weimarer Kurators Achim Preiß, vergifte die Stimmung mit seiner West-Arroganz und Preiß sei inkompetent, das könne man doch an der „Moderne“-Schau ablesen. Es ist gespenstisch: Die Lehren aus Weimar werden in Berlin gezogen. Oder wie jemand im Publikum verkündete: Nun wird man sich neben der Weimarer Republik künftig auch an die Weimarer Hängung erinnern.

Worum es geht? Kulturelle Gerechtigkeit, das stand zumindest auf der Einladung. Weil in Weimar zur Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ Malerei aus der DDR völlig undifferenziert zwischen Dissidenz und Auftragskunst zusammengefaßt und direkt neben Teilen der Kunstsammlung Adolf Hitlers präsentiert wurde, ist der Bilderstreit vor Gericht angelangt.

Seither wird abgehängt: Juristisch gibt es ein Recht auf Persönlichkeitsschutz, das in der Kunst auch für Werke und Urheber gilt. Die Ausstellungsmacher haben daraus gelernt und in einer Neuauflage zwischen den einzelnen Positionen differenziert. Trotzdem hält die Empörung übergreifend von Ost bis West an: Die Feinde meiner Feinde sind auch meine Feinde, so hat es Martin Kippenberger einmal über korrekte Haltungen in verqueren Gemengelagen einem Interviewer diktiert.

Insofern ist das Podium in Berlin kein Forum für einen verständigeren Umgang mit Kunst aus 40 Jahren DDR, sondern Spiegelbild der unterschiedlichen Interessen. Weil Edouard Beaucamp für die traditionsbewußte Leipziger Schule schwärmt, möchte er Maler wie Bernhard Heisig gegen die Vereinheitlichung der Nachwende-Gegenwart verteidigen; weil Hans-Hendrik Grimmling als Student unter den Malerfürsten litt, die in der DDR Hochschulposten besetzten, will er sich nicht nachträglich an deren Nähe wärmen. So stehen wirklich deutsch-deutsche Identitätsfragen auf dem Programm: Plötzlich geht es um Qualität oder Biographie, Ausharren oder Widerstehen, um Opposition oder Unterhaltung. Die Synthese ist fadenscheinig: Daß ein Heisig in der DDR Privilegien hatte, die ihn in westliche Museen führten, wird auf dem Podium als Schicksal verbucht. Ein künstlerisches Kriterium ist auch das nicht. Eher schon Brecht: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Der Rest darf abhängen. hf