Forscher gegen neues Füllhorn

■ Niedrige Einkommen flächendeckend zu bezuschussen, sei zu teuer, kritisiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung

Berlin (taz) – Mit gut 60.000 Mark aus öffentlichen Kassen finanziert der Staat jeden Bergarbeiter im Ruhrgebiet. Noch teurer wäre die flächendeckende Subventionierung von Beschäftigten mit niedrigen Einkommen – dadurch entstünden Kosten von 80.000 Mark pro zusätzlichem Arbeitsplatz, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin in seinem neuesten Wochenbericht. Die als „arbeitnehmerfreundlich“ bekannten ForscherInnen wenden sich damit gegen die bislang konfliktträchtigste Idee, die das Bündnis für Arbeit zwischen Bundesregierung, Unternehmen und Gewerkschaften hervorgebracht hat. Gestern abend tagte die Runde zum dritten Mal.

Zwei Berater der rot-grünen Regierung hatten dem Bündnis vorgeschlagen, Leuten mit geringen Löhnen die Sozialversicherungskosten zu bezahlen – bis zu Einkommen von 1.400 Mark netto komplett, bis 2.800 Mark netto teilweise. Weil billige Arbeitskräfte für die Unternehmen noch billiger würden, könnten diese neue Jobs anbieten, so die Hoffnung.

Die Annahme sei zwar teilweise begründet, schreibt das DIW. Doch die Zahl der zusätzlichen Stellen falle so gering aus, daß der Staat seine knappen Mittel an der falschen Stelle verschwende. Hunderttausende bereits Beschäftigte kämen in den Genuß der flächendeckenden Subventionierung, andererseits würden nur 150.000 Jobs neu geschaffen. Dafür würde der Staat zwölf Milliarden Mark jährlich ausgeben, haben DIW-Forscher Gert Wagner und seine Kollegen errechnet – 80.000 Mark pro neuer Stelle.

Das DIW plädiert dagegen dafür, gezielt Leute zu unterstützen, die seit langen Jahren arbeitslos sind. Man müsse in die Fortbildung investieren und staatlich kontrollierte Leiharbeitsfirmen mit der Vermittlung der Jobsuchenden beauftragen. Wenn schon Lohnsubventionierung, meint das DIW, dann solle der Staat die Kriterien verändern. Nicht das Einkommen des Verdienenden, sondern das niedrige Haushaltseinkommen solle als Maßstab dienen. Das verhindere zum Beispiel die Subventionierung der Ehefrauen von leitenden Angestellten.

Bei den großen Unternehmerverbänden stieß die DIW-Kritik gestern auf Zustimmung. Sowohl der Bundesverband der Industrie (BDI) als auch die Arbeitgeberverbände (BDA) wandten sich gegen neue flächendeckende Subventionen und legten das Schwergewicht auf niedrigere Lohnabschlüsse und die allgemeine Reduzierung der Sozialabgaben für alle Betriebe und Beschäftigten. Gigantische Förderungen für Unternehmen ließen sich „nicht mehr beherrschen“, sagte Stefan Küpper (BDA). Hannes Koch