Film Script
: THX – oder Is The Audience Listening?

■ Die Filmzeitschrift „Meteor – Texte zum Laufbild“ thematisiert das Sound-Design

Im Kino, darauf weist Michael Palm im Heft 15 der Wiener Filmzeitschrift Meteor – Texte zum Laufbild hin, verdonnert uns nun schon seit geraumer Zeit die Firma Lucasfilm mit der in allen Regeln der Sechskanal-Kunst über uns hereinbrechenden THX-Trademark „The Audience Is Listening“ zum Schweigen.

Was aber hören wir, wenn wir derart verstummt sind? Wir hören Sound. Also weit mehr als nur die Stimmen der Schauspieler oder die Filmmusik. Auch letztere besitzt ja ihr spezifisches Profil. Und das erweist sich dann bei Ennio Morricones Geräuschmusik, wie man in Drehli Robniks Essay „Every Gun Makes Its Own Tune“ liest, als ein Sound, der vormodern genannt werden kann. Stets stammt er aus Instrumenten, die nahe am Körper und, wie Flöten, Mundharmonika oder Maultrommel, pneumatisch mit dem Mund gespielt werden – bis hin zum schlichten Pfeifen. Es geht Morricone um die Geräusche des Körpers, um Rülpsen, Fingergelenkknacken, Pfeifen, um die Töne einer staubigen, heißen, trockenen Welt und um eine Fliege, „anhand derer einer der schweigsamen Killer den Walkman beziehungsweise das tragbare Radio erfindet, indem er das Insekt im Lauf seines Revolvers fängt: Zufrieden hält er ihn an sein Ohr und genießt das gefilterte Summen. Zwölf Minuten pures Warten; die Polyphonie einer trägen, belasteten oder lästigen Materie.“

Es ist der Sound jener trägen Materie, der den Dingen ihren Mehrwert gibt, sie bestimmbar macht, so Michael Palm, der für die Redaktion des neuesten Meteor-Heftes verantwortlich zeichnet. Das Begehren von Karl Valentin, eine Schallplatte zu kaufen, nicht diese oder jene, sondern eine „mit ganz gewöhnlichem Schall“, ist hoffnungslos. „Das Geräusch lädt die Dinge fetischistisch auf, verleiht ihnen Textur, Typus und Prägung.“ Nicht nur die Film-, sondern auch die Haushalts-, Lebensmittel- und Autoindustrie leisten sich Sound-Designer, die ihren Produkten einen akustischen Fingerabdruck verleihen.

Sound-Design ist denn auch das übergreifende Thema des neuen Hefts, in dem sich weiter ein sehr lesenswertes Porträt der Schauspielerin Isabelle Huppert und ein Interview mit Peter Kern zu dessen Film „Hans Eppendorfer: Suche nach Leben“ finden sowie kürzere Analysen zu Kino und Medien. Man trifft auf Ray Dolby und sein System der Rauschunterdrükkung, denn erst wenn das Eigenrauschen des Materials vernichtet ist, beginnt die wahre Stunde des Sound-Designs. Der Hörraum, der jetzt entsteht, hat nicht mehr viel mit der Renaissance-Räumlichkeit des Filmbildes zu tun. Daher macht er „eine neue Taxonomie sowohl der Töne selbst als auch der Beziehungen zwischen Tönen und Bildern notwendig“, stellt Palm in seiner Einleitung zum Aufsatz des Literatur- und Musikwissenschaftlers Michel Chion dessen zentrale These vor. Mußte man früher den Ton hierarchisieren, die Geräusche während der Dialoge verstummen lassen, existiert der Ton heute auf mehreren gleichwertigen Schichten, wobei das Bild nur eine weitere Schicht bildet: „In diesem weiten Tonaquarium schwimmt jetzt das Bild, ein armer kleiner Fisch.“ Dagegen, so Chion, hilft es auch nicht, das Bild einzurahmen, wie es eine europäische Schule von Filmemachern tut, Wenders, Akerman und, möchte man hinzufügen, Léon Carax oder Bruno Dumont.

„Verglichen mit dem, was wir heute tun, hat ein älterer Film wie ,Casablanca‘ einen leeren Soundtrack“, klärt Michael Kirchberger gleich zu Beginn von Elisabeth Weis' Aufsatz zur „Kunst und Technik des Postproduction Sound“ über den Stand der Dinge auf. Bearbeitete ein Cutter noch bis Anfang der 70er Jahre sowohl die Nachsynchronisation als auch die Musik, so ist der Supervising Sound Editor wie Kirchberger, der ein Team von Tonspezialisten zusammenstellt, heute ein must. Es geht um das Abmischen von bis zu hundert Tonspuren. Dialoge, Musik, Geräuscheffekte müssen orchestriert und vor allem fokussiert werden. Es ist das Scharfstellen auf Geräusche, das Spannung, Stimmung und Emotion erzeugt. Daß dieses Scharfstellen auch in der Realität nicht immer funktioniert, zeigt eine hübsche Anekdote, die die Autorin in einer Fußnote mitliefert: In den 30er Jahren hatte ein Gutteil der Hollywood-Regisseure, nämlich die deutschen Emigranten, Schwierigkeiten, mit dem Klang, also dem Sound, des Wortes „without“ klarzukommen. So nannte man das Verfahren, ohne Ton zu filmen im Fachbegriff MOS – „mitout sound“. Brigitte Werneburg ‚/B‘Meteor c/o PVS Verleger, Friedmanngasse 44, A-1160 Wien, 16 DM, E-Mail: pvs. verlegerblackbox.at