Minister schießt sich in den Kopf

Erst zankt sich der türkische Staatsminister für Wirtschaftsfragen mit dem IWF, dann kommt ein Börsenskandal, dann begeht er einen Selbstmordversuch  ■   Aus Istanbul Dilek Zaptcioglu

Wahrscheinlich zähe Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und ein anschließender Börsenskandal haben den türkischen Staatsminister für Wirtschaftsfragen beinahe das Leben gekostet. Der 60jährige Hikmet Ulugbay verletzte sich in der Nacht zu Mittwoch bei einem Selbstmordversuch mit seiner Smith-Wesson schwer. Durch einen Schuß in den Mund wurde der Kiefer zertrümmert und die Zunge zerfetzt. Sein Sohn verhinderte im letzten Moment, daß der Vater noch ein zweites Mal abdrückte. Erst nach einer dreistündigen Operation war Ulugbay gestern außer Lebensgefahr.

Der als streng kemalistisch und laizistisch bekannte Politiker der Demokratischen Linkspartei (DSP) hatte in der vorangegangenen Koalitionsregierung als Erziehungsminister die heftig umstrittene Bildungsreform durchgezogen. Dieser von den Militärs vorgeschlagene Schritt verlängerte die Pflichtschulzeit auf acht Jahre, grub damit den Korankursen das Wasser ab und machte Ulugbay zur Zielscheibe der Islamisten.

Der Selbstmordversuch des von Ministerpräsident Bülent Ecevit als „äußerst sensibel“ bezeichneten Politikers hängt möglicherweise mit den IWF-Gesprächen zusammen, die sich über die vergangenen zweieinhalb Wochen erstreckten. Die von Ulugbay geleitete türkische Delegation bekam zum Schluß vom IWF statt einer Unterschrift unter das erhoffte Standby-Abkommen nur ein Versprechen. Der Türkeivertreter des Währungsfonds, Cottarelli, erklärte, der IWF würde nur dann neues Geld lockermachen, wenn die Regierung ihre „neuen und großartigen Reformpakete“ auch in die Tat umsetzt.

Am Tag der Abreise des IWF-Teams sickerte ein internes Papier mit negativen Einschätzungen des Währungsfonds über die Türkei an die Istanbuler Börse. Dahinter wird ein hoher Bürokrat im Dienste Ulugbays vermutet. Anschließende Gerüchte über eine Geldentwertung und Schuldenkonsolidierung verursachten einen Crash. Eine Brokerfirma wurde beschuldigt, durch die Manipulierung der Aktienkurse einen Riesengewinn kassiert zu haben. Daß diese Firma einem Verwandten von Ecevits Koalitionspartner Mesut Yilmaz gehört, machte den Skandal perfekt.

Ulugbay, der in der Presse in den letzten Tagen beschuldigt wurde, durch seine Erklärungen „die Börsenmafia in Schutz zu nehmen“, scheint nun daraus seine persönlichen Konsequenzen gezogen zu haben. Sein Regierungs- und auch Parteichef Ecevit selbst führte in einer ersten Stellungnahme gestern den Selbstmordversuch auf die Affäre zurück. Der Börsenskandal war für Ulugbay möglicherweise einfach zuviel. Hatte er sich doch schon bei denVerhandlungen mit dem Währungsfond – einem Gremium, das die Linksdemokraten sonst gerne kritisieren – zum Bittsteller degradiert gefühlt.