Atomkraftopfer gestorben

■ Verstrahlte Laster nach Tschernobyl-GAU gereinigt: Thüringer erlag Krebsleiden

Mühlhausen (AP) – Das erste gerichtlich anerkannte Tschernobyl-Opfer in Deutschland ist tot. Im Alter von 62 Jahren erlag Klaus Neukirch am Dienstag im thüringischen Mühlhausen einem Krebsleiden, wie die Familie gestern bestätigte. Neukirch hatte zum Zeitpunkt der Tschernobyl-Katastrophe 1986 in Mühlhausen die Reinigung von radioaktiv verseuchten Lastern zu kontrollieren, die aus der Ukraine zurückgekommen waren. Im Juni 1998 hatte das Sozialgericht Nordhausen Neukirchs Krebsleiden als Berufskrankheit anerkannt. Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BG) legte jedoch Berufung ein, über die das Landessozialgericht dem Staatsanwalt zufolge noch nicht entschieden hat.

Die rund 100 Lastwagen des DDR-Speditionsunternehmens Deutrans waren nach Angaben des Mühlhäusers zur Zeit der Reaktorexplosion in der Ukraine unterwegs. Wegen der hohen Strahlenwerte sei ihnen danach am Grenzübergang Herleshausen die Einreise in die Bundesrepublik verweigert worden. Daraufhin habe ein Putztrupp die Laster ohne Schutzanzüge reinigen müssen. Mehrere Beteiligte starben an Krebs.

Neukirch war 1992 wegen Darmkrebs operiert worden. Gutachter bestätigten, daß seine Krankheit auf radioaktive Strahlung zurückzuführen sei; Gegengutachter der BG sprachen von einer „schicksalhaften Erkrankung“. Die BG war in die Berufung gegangen, da sie in dem Fall „Ungereimtheiten“ sah. So habe der Mühlhäuser die Reinigungsarbeiten als Vorgesetzter überwacht, aber nicht selbst die Lastwagen gesäubert. Es seien zwar mehrere seiner Kollegen an Krebs gestorben. Dabei habe es sich aber um unterschiedliche Krebsarten gehandelt. Außerdem habe der Strahlengutachter des Klägers während der Verhandlung die geschätzte Belastung um den Faktor 1.000 nach unten korrigiert.

Nach Angaben des Gerichts wird bis Ende des Monats ein neues strahlenphysikalisches Gutachten erwartet. Die Witwe könne das Verfahren weiterbetreiben. In der Regel liefen Verfahren um Berufskrankheiten nach dem Tod der Betroffenen weiter, da mit ihnen auch Rentenansprüche geklärt würden.