Durch Stahlgewitter gesteppt

■ Derbe und dynamisch: Die „Tap Dogs“ aus Australien setzen das Thalia unter Wasser

Die metallbeschlagenen Workerboots ihrer Heimatstadt Newcastle, der führenden Stahlkochermetropole Australiens, sind das Markenzeichen der Tap Dogs. Dazu Jeans, T-Shirt, Holzfällerhemd, ein Kaugummi im Mund und ein unverschämtes Grinsen im Gesicht. Ihre Kostüme entwarf das Leben. So war es jedenfalls am Anfang, als der junge Choreograph und Tänzer Dein Perry die Tap Dogs aus dem Boden steppte.

Seit 1996 tourt die Gruppe in wechselnden Tänzerbesetzungen erfolgreich durch die ganze Welt. Vom Hinterhof in die erste Showreihe sozusagen. Doch ihren Grundsätzen sind sie treu geblieben: Sie üben keine Sozialkritik, sie erzählen auch keine Liebesgeschichte, sie erzählen eigentlich gar keine Geschichte. Sie sind einfach da: sechs Buddies mit einem außergewöhnlichen Tanztalent, was sie sich selbst und dem Publikum ununterbrochen unter Beweis stellen. Einfache Holzplanken, Stahlkonstruktionen und Arbeitsgerüste bilden die Kulisse für ihre groben Stiefel, mit denen sie sogar einen Spitzentanz hinlegen.

Daß es ein bißchen derber als gewöhnlich im Thalia Theater zugehen würde, ließen bereits die in den ersten Reihen ausliegenden Regencapes erahnen. Auch das Anfangsbild, in dem lediglich steppende Füße unter einer Stahlwand herausschauen, zu denen sich plötzlich ein dampfender Strahl ergießt, zeigt, daß sterile Ästhetik nicht Sache der Tap Dogs ist. Was aber mit einem großzügigen Kichern mehrerer Gesellschaftsdamen goutiert wurde.

Zu früh gelacht, denn schon folgt ein Stahlgewitter: Die eisenbeschlagenen Schuhe entwickeln geradezu eine Eigendynamik und setzen lautstark neue Maßstäbe, was die Kunst des Steppens angeht. Kombiniert mit flapsigen Bemerkungen und ohne sichtbare Anstrengung kommt ihr Können erstaunlich unprätentiös daher. Die Bühnenkonstruktion von Australiens führendem Künstler des visuellen Theaters, Nigel Triffit, scheint zu leben, denn ständig bringt sie neue Ansichten hervor. Zwei Percussionstationen werden über den Steppern thronend sichtbar und liefern treibende Rhythmen für die Show. Die Holzplanken reißen auf und bieten nur noch ein Netz, auf dem besessen bis spielerisch weiter gesteppt wird.

Zwischendurch werden auch die leisen Töne nicht vernachlässigt, wenn sich einfach mal zwei Paar Füße „unterhalten“. Das geht erstaunlich gefühlvoll. Doch schon wird wieder provoziert, geneckt und ein Tap Dog wird an die Stahldecke gehievt, wo er seinem Fußwerk nachgeht. Eisenleitern tauchen auf, und plötzlich sind sie wieder in Newcastle: Mit Schweißerbrillen tanzen sie den funkensprühenden Arbeitertanz, der Step läuft quasi nebenbei. Soviel schweiß-treibende Körperkunst verlangt nach Abkühlung: Wie Kinder amüsieren sich die Tap Dogs, genußvoll im Wasser rumzutanzen, bis die ersten Publikumsreihen komplett naß sind. Zwei hanseatische Damne beweisen wenig trockenen Humor und verlassen genervt den Saal. Alle anderen schwören auf ihre Regencapes und den Tap in Reinform.

Stefanie Heim

bis 8. August (außer Montags), Thalia Theater