Spiel und Sein

■ Zwischen Pathos und Karikatur: „Tres“, Tanztheater von Grace Ellen Barkey auf Kampnagel

Blaß und verbraucht wirken die Schauspieler, ihre dürren Leiber sind in schäbige Kostüme gehüllt. Die Trennung zwischen Show und Leben, für die Tänzerinnen und Sänger in einem Nachtlokal hat sie sich längst aufgelöst. Auf der Suche nach der großen Liebe treten sie einander nur mit Ablehnung gegenüber. Ihr Verhalten ist bestimmt durch Ohnmacht, Haß, Versöhnung, Aggressivität und albernes Getue.

Die Produktion Tres der belgischen Tanztheatergruppe Needcompany feierte am Donnerstag auf Kampnagel Deutschlandpremiere. Die Choreographin Grace Ellen Barkey entwarf das Konzept und führte Regie. Handlungen vor einem imaginären Nachtclub-Publikum und parallel in einer genauso imaginären Schauspielergarderobe verschmelzen: Sätze, die eben noch auf der Bühne gesungen wurden, werden in der Garderobe für bare Münze genommen. So entsteht eine Einheit unterschiedlicher Darstellungsebenen, die dem menschlichen Leiden mit viel Pathos Ausdruck geben soll. Im Anspruch auf künstlerische Universalität bedient sich die Choreographin dabei aller möglichen Ausdrucksformen: Musik, Tanz, Literatur und Schauspiel.

Die sechs Darsteller der Needcompany sind jedoch in erster Linie Tänzer. So gelingt die Vermittlung menschlicher Abgründe und die Auflösung zwischen Spiel und Sein fast nur durch die getanzte Handlung, bekräftigt durch die Musik von Rombout Willems. Im Wechsel zwischen Leichtigkeit und Abstraktion spielt sie mit dem traditionellen Chanson.

Schauspiel und Literatur verlieren bei Tres demgegenüber an Wert. Besonders die Probleme mit der englischen Sprache sorgen ungewollt dafür, daß der Zuschauer sich immer wieder in einer ganz kunstlosen Realität wiederfindet.

Tres ist als letzter Teil einer Trilogie konzipiert, die mit den Stücken One und Don Quijote begann. In den ersten beiden Teilen gab es noch Lichtblicke im Chaos kaputter Gefühle. Nun will Barkey die „totale menschliche Degeneration“ (Pressematerial) vermitteln. In der Zeit der Winterdepressionen mag dieses gruftige Szenario des menschlichen Verfalls nicht gerade verlockend erscheinen. Man muß aber nicht so hoch greifen. Tres läßt sich auch weniger tiefsinnig verstehen – als eine gelungene Schau überkandidelter Charaktere. Von einer Ohnmacht fallen sie in die nächste: Aus dieser Sicht sind die Darsteller bis zur Karikatur mit Egozentrismus ausstaffiert.

Keiner Interpretation bedarf hingegen die Tatsache, daß die Needcompany vor allem Tanzkunst vom Feinsten bietet.

Nele-Marie Brüdgam

Bis 17. 12., Kampnagel, 20 Uhr