Gesänge im Windkanal

■ Klangräume: Michael Meierhof im Kunstverein

Raumbezogene Musik. Ein sachlicher Begriff für Klänge, die neue Hörräume erschließen möchten. Michael Meierhof, Jahrgang 1956, schreibt Musik, die irgendwo zwischen Geräusch und Klangplastik einen Platz hat. Seit 1990 arbeitet Meierhof an raumbezogenen Kompositionen, die, wie der Titel schon sagt, ihren ganz speziellen Raum brauchen. Das Planetarium, der Kuppelsaal der Hamburger Kunsthalle, aber auch Kampnagels Hallen oder Kirchenräume sind die bevorzugten Orte für Meierhofs Musik. Nun war der Kunstverein an der Reihe. Im quadratischen, neonlichtdurchfluteten Ausstellungsraum, der extra für das Konzert von störenden Bildern und Objekten befreit wurde, positionierten sich die Musiker um das Publikum herum. Gut 50 Zuhörer lauschten den unberechenbaren, mitunter massiv lauten Tönen. Zwei Uraufführungen und eine Arbeit aus dem Jahre 1994 waren zu hören.

Punktspur (auch offen) / Tastfiguren 2 (1994) ordnet eine Reihe von klingendem Beiwerk (Holzblock, Gong, Tamtam, Melodica) dem tonangebenden, durchaus verfremdeten, letztlich aber recht schwerblütigen Flügelklang zu. Ein episodenhaftes, reizvolles Klang-Pingpong. Das für drei präparierte Celli geschriebene im Sprung/rückläufig, eine der Uraufführungen, überzeugte durch die immens feingliedrige Konstruktion dieses plastischen Trios.

Die mit Holzwäscheklammern verstimmten Saiten erzeugten stellenweise Klanggeräusche von bestechender Schönheit. Windkanal – 7 Lieder für Sopran Flügel und einige Klangwerkzeuge war das längste, aber nicht durchgängig überzeugendste Stück des Abends. Norma Enns, eine profilierte und erfahrene Stimme zeitgenössischer Musik, konnte technisch überzeugen, allein ihr opernhaftes Stimmvolumen zerriß da und dort die sensiblen Klangfäden. Aber auch in dieser Komposition zeigt Michael Meierhof sein Gespür für Lebendigkeit, ja dramatische Wanderslust traditionsbefreiter Töne.

Sven Ahnert