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„Image kann man sich nicht kaufen“

Jenseits der Multiplex-Welle wissen die Off-Kinos sich der Konkurrenz mit Themenreihen und Events zu erwehren: Die „Kleinen“ profilieren sich mit Werken von Filmhochschülern und Tango-Abenden  ■   Von Christoph Rasch

„Die Seh- und Konsumgewohnheiten der Leute haben sich verändert“, sagt Claus Löser, Betreiber des Kinos in der Brotfabrik. Schuld sei das „Fast-food“-Kino der Multiplexe, die Berlin eroberten. Das 1990 gegründete Off-Kino in der Brotfabrik war eines der ersten, die internationale Filmkunst im Osten der Hauptstadt zeigten. Doch die Zeiten, wo man Filmemacher wie Peter Greenaway zu Premieren einlud, sind vorbei. Nun soll eine für August geplante Filmreihe ausgerechnet zum Themenkomplex „Charles Manson“ den Kinosaal in der Brotfabrik wieder füllen. Durchaus typisch für die Berliner Off-Kinos, die mit Eventprogrammen und Themenreihen in den Sommer starten.

Nach einer Studie der Filmförderanstalten sollen die Zuschauerzahlen in den nächsten Jahren zwar ansteigen, doch Nischen- und Programmkinos müßten dann 20 Prozent der Zuschauer untereinander aufteilen – den Löwenanteil würden zukünftig die Multiplexe verbuchen, heißt es.

Am Potsdamer Platz jagte CinemaXX testweise auch in fremdem Revier: In 9 der 19 Kinosäle zeigte man „Filmkunst“, Kultfilme und Originalversionen, nicht nur in Englisch – auch ein programmatisches Zugeständnis an die kommende Rolle als Berlinale-Kino. Allein es fehlte die Zuschauerresonanz, so daß man die ambitionierteren Filme wieder aus dem Programm nahm. Für Schulz ist die Konkurrenzfrage zu den Off-Kinos damit „erledigt“.

Das sehen die „Kleinen“ anders: Im Acud machte sich die Eröffnung des Colosseum im Prenzlauer Berg durchaus bemerkbar. Man versucht dies mit bunten Filmreihen wieder wettzumachen: mit Krimi-Open-Air-Kino – etwa der Reihe „Jäger und Gejagte“ – am Wochenende sowie eines Festivals mit alten DEFA-Schinken aus den 50er Jahren bis in die 90er, anläßlich von „50 Jahren DDR“. Mit letzterem will man im Acud auch die „stigmatisierenden, traumatischen“ Vorurteile beim eigenen Publikum abbauen. „Die Monokultur in den Großkinos trifft uns vor allem indirekt“, sagt Hermann Greuel vom Acud. Durch das vereinheitlichte Programm in den Multiplexen trennen sich die Verleihfirmen von den wenig gefragten Filmen.

„Oftmals sind gute Filme dann auch einfach vom Markt verschwunden“, meint Jens Grabner vom Arkona, „oder können aus rechtlichen Gründen nicht mehr gezeigt werden.“ Der Verlust der nicht mehr verfügbaren Filme mit mehr oder weniger großem Kultcharakter trifft die Off-Kinos besonders hart. „Die Filme direkt beim Produzenten zu besorgen ist oft sehr teuer“, so der Theaterleiter des Arkona, das Ende April die Nachfolge des Delta in der Wolliner Straße antrat. Und auch die Preisforderungen der Verleihfirmen, etwa beim neuen „Star Wars“-Streifen, würden immer unmäßiger.

Grabner setzt deshalb auch auf Off-Filme: Nach einer Kurzfilmrolle der Kaskaline Filmakademie im Juni folgt im September eine Präsentation von Münchner Filmstudenten in Verbindung mit Ausstellung in dem als Galerie genutzten Foyer sowie Konzerten. Zumindest die Sorgen mit Verleihfirmen scheiden bei diesen Streifen dann aus.

„Die Kinowelt ist halt total chaotisch, das schließt auch die Verleihfirmen mit ein“, heißt es aus den Tilsiter Lichtspielen. Unbelastet vom Großkino-Boom erfreut man sich dort in Friedrichshain konstanter Beliebtheit. Mitten zwischen zwei Filmpalästen gelegen bietet das Kneipenkino seit fünf Jahren nicht nur die üblichen Filmreihen, derzeit etwa zu Woody Allen. Sporadisch kommen auch Jung- und Studentenfilmer in Kurzfilmfestivals zu Wort, und Bild und Premieren von Eigenproduktionen gehören ebenfalls zum Programm. Schließlich geht das Kino auf einen Verein zurück, der eigene Filme dreht und produziert. Seit einigen Wochen sind auch Tango-Abende fester Bestandteil des Wochenendprogramms.

Die Berliner Freiluftkinos halten an ihrer bewährten Mischung aus Kult- und Trendfilmen fest und öffnen sich der Eventkultur. So etwa in dem von den Machern der Sputnik-Kinos seit zehn Jahren betriebenen Freiluftkino Hasenheide. Nach dem letztwöchigen Interfilm-Kurzfilmabend gibt es dort im Juli etwa ein „Mondlichtfest“ für Kinder ab acht Jahren. Auch Premieren sind wieder im von Highlights und Kultfilmrepertoire (von „Paul und Paula“ bis „Rocky Horror“) durchsetzten Programm zu finden. Man gibt sich optimistisch, daß das Kino „bei gutem Wetter auch in diesem Jahr nicht selten ausverkauft sein wird“.

Durchgängig das Rahmenprogramm beim Freiluft-Nachbarn in Kreuzberg: Im Innenhof des Bethanien beginnt immer nachmittags ein lockeres Club-Treiben, mit DJs, Leckereien und Sport. Auch hier setzt man vor allem auf ambitioniertes Hollywoodkino im thematischen 7-Tage-Rythmus: von „Lust und Liebe“ bis zur abschließenden Horror-Woche. Und wer auch Schwarzweiß-Klassiker wie den „Großen Diktator“ oder „Panzerkreuzer Potemkin“ in Aktion sehen will, wird im Kino im Volkspark Friedrichshain gut bedient.

Die Konkurrenz zu den Multiplexen ist auch im Lichtblick-Kino im Prenzlauer Berg ein Thema. Das Lichtblick, das vor zwei Jahren einer Erweiterung des alten Delta gewichen ist und seitdem mit dem Standort in der Kastanienallee hochzufrieden ist, will man sich allerdings nicht mit allen „kleinen Kinos“ in einen Topf werfen lassen: „Mit den Kommunalkinos sitzen wir nicht in einem Boot“, sagt Torsten Frehse vom Lichtblick, „denn die bekommen Fördergelder, wir nicht.“ Den Programmkinos bleiben immerhin Anträge auf projektbezogene Mittel, etwa für Festivals, beim Filmboard Berlin-Brandenburg.

Wie andere Off-Kinos sucht sich auch das als Kollektiv betriebene Lichtblick seine monatlichen Programm-„Nischen“ und vermeidet den Mainstream. „Alleine dadurch grenzen wir uns von von den kommunalen Häusern ab“, so Torsten Frehse. Dabei setzt das Kino mit dem politischem Einschlag – in Brandenburg unterstützt man ein Antifa-Projekt – nicht nur auf Bunuel- und Pasolini-Filmreihen, sondern demnächst auch auf vernachlässigte Genres wie Dokumentarfilme. Das Kiezkino mit seinen 32 Plätzen sei derzeit gut ausgelastet. Für Frehse ein Zeichen für erfolgreiches Nischen-Image seines Kinos. „Und Image“, sagt er, „kann man sich eben nicht kaufen.“

Auch auf den Erfolg vernachlässigter Genres wie Dokumentarfilme setzen die Betreiber

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