EU-Kommission: Romano Prodi macht es allen recht

■  Der Präsident beugt sich den Personalvorschlägen der Regierungen, nicht aber ihren Ressortwünschen. Günter Verheugen für Osterweiterung zuständig

Brüssel (taz) – Ein vor Selbstbewußtsein strotzender Romano Prodi präsentierte gestern eine Woche vor dem Termin seine Kommission der Öffentlichkeit. Der designierte Präsident verkündete nicht nur die Namen seines Teams. Er überraschte vor allem mit der Verteilung der von ihm neu gestalteten Portfolios. So wird der SPD-Politiker Günter Verheugen Kommissar für die Erweiterung der EU und übernimmt so eine der wichtigsten Aufgaben der Union. Die Grüne Michaele Schreyer wird für den EU-Haushalt zuständig sein.

Prodi wehrte sich gegen Vorwürfe, den Interessen der Briten zu weit entgegengekommen zu sein. Chris Patten wird neuer Kommissar für die Außenpolitik der EU; dieses Ressort hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder eigentlich für die Deutschen reklamiert. Kritik an der geringen Anzahl Frauen in seinem Team wies der christdemokratische italienische Ex-Regierungschef zurück. Er habe fünf Frauen ernannt, ebenso viele seien auch in der alten Kommission gewesen.

Deutlich stellte Prodi klar, daß er in völliger Unabhängigkeit von Einflüssen der Mitgliedsregierungen handle. Doch ausgerechnet der Franzose Pascal Lamy, der Ex-Kabinettschef des ehemaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, wird nun als Handelskommissar nach Brüssel kommen. Lamy war nach seinem Abschied als Kabinettschef bei Crédit Lyonnaise eingestiegen, ein etwa mit dem Fall Bangemann vergleichbarer Vorgang. Auf die Vorwürfe entgegnete Prodi gestern, Lamy sei nicht Kommissar, sondern nur Kabinettschef gewesen. Offenbar hat Frankreich doch ein gewichtiges Wort bei der Kandidatenliste mitgeredet.

Politisch sei die neue Kommission „global ausgewogen“, sagte Prodi. Er habe die mündliche Zusicherung der Regierungschefs, einzelne Kommissare entlassen oder ihnen bei politischen Fehlern neue Ressorts zuteilen zu können. Indirekt hat Prodi auch das Heft in der Hand, wenn das Europäische Parlament Kommissare wie Lamy nicht akzeptiert und die ganze Kommission Mitte September zu Fall zu bringen droht. „Die Kommissare werden einzeln angehört, aber über sie wird gemeinsam abgestimmt“, sagte er mit Blick auf freiwillige Rücktritte einzelner Kommissare.

Wesentlich verbessert hat Prodi den Zuschnitt der neuen Portfolios. Zum Beispiel sind Fischereipolitik und humanitäre Hilfe nicht mehr unter einem Dach.

Seine gestern vorgelegten Pläne erscheinen wie ein Sammelsurium aus nationalen Wunschlisten, einem Stück Selbstbehauptung Prodis und einer Portion Sachverstand für die schwierigen Fragen der EU-Bürokratie.

Peter Sennekamp

Tagesthema Seite 3