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(Lob)preis der Bremer Laienchöre

■ Regenwaldeindrücke: Mit großer Lust servierte der Osterchorsteinway die Urauf-führung eines Stücks von Ezzat Nashashibi

Warum singen Laienchöre nie zeitgenössische Musik? Das kann nicht nur eine konservative Einstellung sein. Sagte sich der Landesmusikrat Bremen und schrieb einen Kompositionswettbewerb aus: eine Komposition für Laien. Die Vorsitzende der Jury war die Bremer Komponistin Siegrid Ernst. Nun wurde das eindrucksvolle Ergebnis in einem Konzert bei Radio Bremen uraufgeführt: „Guko“ für sechzehnstimmigen Sprechchor von Ezzat Nashashibi.

Die 3.000 Mark Preisgeld kann er gut gebrauchen, denn der 1964 geborene Nashashibi verdient seine Brötchen nur zum Teil mit Musik. Als gelernter Arzt unterrichtet er in einer Krankenpflegeschule. Zum unsicheren Dasein des Komponisten hat er sich entschlossen, als er im Studium zunehmend unzufrieden war, und „eines Tages eine Entscheidung fallen mußte“. Er studierte bei David Kosviner und nun bei Younghi Pagh-Paan an der Hochschule für Künste (HfK) in Bremen.

Die Idee einer Komposition für Laien faszinierte ihn sofort, und zusammen mit dem rührigen „Osterchorsteinway“ unter der Leitung von Manfred Seidl entstand das pfiffige Stück. „Das größte Problem für Laien sind die Intervalle. Und die gibt es in meinem Stück überhaupt nicht.“ In „Guko“ stehen vierzig SängerInnen um das Publikum herum und machen alle möglichen Geräusche mit dem Mund.

In der Partitur schreibt Nashashibi vor, daß von verschiedenen Wörtern nur die Konsonanten oder die Vokale gesprochen werden: Das ergibt einen unglaublich komplexen Rhythmus, der den Hörer neben der stets überraschenden Klanglichkeit lange in Spannung hält. „Ich habe damit auch so eine Vorstellung umgesetzt, daß wir von allem in dieser Welt ja auch nur die Spitze des Eisbergs sehen.“ Der Anfang klingt wie ein Gang durch einen faszinierenden Regenwald. Und das, obwohl es Nashashibi gar nicht beabsichtigt hatte. Der Osterchorsteinway war mit Aufmerksamkeit und Lust dabei, ein solches Beispiel sollte Schule machen. Das Stück ist nur leider etwas zu lang.

Ergänzt wurde diese Uraufführung durch ein weiteres Stück von Nashashibi, mit dessen palästinensischen Namen der Vorsitzende des Landesmusikrates, Ernst Folz, eher Schwierigkeiten hatte – das ging von Nashabishi bis Nashashippi. Die Form von „Trend“ für sechs Blas- und Streichinstrumente verdankt sich einem „selbstorganisierenden System“: Es bleibt offen, welche Stimmen weitergehen, und welche auf der Strecke bleiben.

Auf die Frage, ob es in der Natur derartiges gibt, sagt Nashashibi: „Sicher. Aber ich habe es rein musikalisch gedacht.“ Die zwei unterschiedlichen Aufführungen mit StudentInnen der Hochschule zeigten eine transparente Klangempfindlichkeit, ein zartes und lichtes Gebilde. Ein weiterer Akzent des Konzertes war der Auftritt des Roland-Ensembles Bremen, ein Chor, der unter der Leitung von Helmut Lange mit sechs Liedern von Hugo Wolf seinerseits demonstrierte, was mit LaiInnen möglich ist.

Ute Schalz-Laurenze

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