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Belfast steht vor der „Woche der Wahrheit“

■ 20.000 Oranier versammelten sich gestern am Jahrestag ihrer siegreichen Schlacht über die Katholiken im Ormeau Park. Nordirlands Unionisten stehen vor einer folgenschweren Entscheidung  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Nordirland war gestern auf den Beinen: Die Protestanten marschierten auf 18 Paraden, um den Sieg des protestantischen Wilhelm von Oranien über seinen katholischen Widersacher Jakob II. vor gut 300 Jahren zu feiern. Die Katholiken, die es sich leisten konnten, verreisten.

Die größte Parade fand in Belfast statt. Der Oranier-Orden, hatte die Route verändert: Statt wie bisher auf einer Wiese in Edenderry vor den Toren von Belfast endete die Parade diesmal im Ormeau Park. Mit dieser Maßnahme wollte der Orden gegen das Verbot protestieren, über die katholische Lower Ormeau Road zu marschieren, die vom Ormeau Park nur durch den Fluß Lagan getrennt ist. Die zuständige Kommission hatte den neuen Versammlungsort genehmigt, obwohl selbst moderate katholische Politiker die Oranier-Taktik als Provokation bezeichneten. Am Nachmittag versammelten sich 20.000 Oranier bei schönstem Wetter und hörten den Reden der Logengroßmeister zu.

Es ist die „Woche der Wahrheit“ in Nordirland, wie der britische Premierminister Tony Blair es nannte. Die Unionistische Partei will morgen zu dem Regierungsvorschlag Stellung nehmen, wonach am Donnerstag die nordirische Mehrparteienregierung inklusive Sinn Féin gebildet werden soll – ohne vorherige Abrüstung ihres bewaffneten Flügels, der IRA. Die Ausmusterung der Waffen soll allerdings binnen Tagen folgen. Falls nicht, wird das Belfaster Regionalparlament wieder aufgelöst. Das Londoner Unterhaus hat gestern ein entsprechendes Gesetz vorgelegt.

Unionistenchef David Trimble sagte gestern, er würde „das Risiko eingehen“, wenn man ihm garantierte, daß Sinn Féin aus der Regierung entfernt, das Parlament aber weiterbestehen würde, sollte die IRA keine Waffen herausrükken. Der irische Premierminister Bertie Ahern erklärte jedoch, diese Garantie könne er nicht geben.

Trimble sagte, falls er den Regierungsvorschlag annehme und die Sache danach schiefgehe, seien seine Tage als Unionistenchef gezählt. „Wenn dieses Glücksspiel daneben geht, ist der Friedensprozeß verloren.“ Trimble und die drei nominierten Minister seiner Partei wollen Rücktrittsbriefe aufsetzen und sie bei einem Parteifunktionär hinterlegen, der sie einreichen soll, falls die IRA nicht abrüstet. Sein Amt als Parteivorsitzender würde Trimble dann ebenfalls aufgeben, bevor man ihn hinauswirft. Ralf Sotscheck

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