Antipsychiatrie in Afrika

Henri Collomb, General der französischen Armee, war von Haus aus Neuropsychiater und hatte zwei Jahre Dienst in Saigon hinter sich, als er 1958 im Alter von 45 Jahren nach Dakar kam. Seine Aufgabe war, die Psychiatrie auf den Übergang in einheimische Hände vorzubereiten. Er blieb 20 Jahre, ohne einen ebenbürtigen Nachfolger gefunden zu haben. Unter seiner Leitung entstand die psychiatrische „Schule von Dakar“, die durch die Mischung afrikanischer und europäischer Heilmethoden gekennzeichnet war. „Ohne viel Aufhebens“, schreibt eine Psychologin, die hier zu Collombs Zeiten arbeitete, wurden in Fann „die meisten Ideale der Antipsychiatriebewegung verwirklicht“.

Fann empfing damals Besucher aus der ganzen Welt. Heute werden die Ausgaben für die Psychiatrie in Fann eher für Repräsentations- als für Heilkosten aufgewendet, und die Leitung hat durch ihre chronische Abwesenheit den Niedergang des Ortes gefördert. Wichtigster Schüler Collombs ist heute Mohamed Omais (Foto), der mit dem Verein SOS-Psychiatrie bedürftigen Patienten unter die Arme greift.

Bis heute erscheint die von Collomb begründete Zeitschrift Psychopathologie africaine, die sich psychiatrischen Themen mit afrikanischem Bezug widmet. Collomb selbst hat seine Erfahrungen nie in einem Buch zusammengefaßt, aber er und seine Mitarbeiter beschäftigten sich mit den psychosozialen Folgen der Verstädterung, mit dem Familienzerfall, mit Hanf- und Alkoholkonsum und Suizid. An erster Stelle stand freilich die Diagnose und Klassifizierung der traditionellen afrikanischen Methoden zur Heilung psychischer Leiden. Collomb stellte deren klare Erfolge fest, die er in Zusammenhang mit der Lebendigkeit der afrikanischen Gemeinschaften brachte. JE