Gerichtsverhandlungen laufen weiter auf Slowakisch

■ Die Slowakei hat ein neues Sprachengesetz. Doch die Regierungspartei der Ungarn ist unzufrieden. Opposition von Ex-Premier Meciar will das Gesetz per Referendum kippen

Berlin (taz) – Die Slowakei wähnt sich einen Schritt weiter auf ihrem Weg in Richtung Europa. Grund für den Optimismus der Regierung von Mikulas Dzurinda ist ein neues Sprachengesetz, das das Parlament am vergangenen Wochenende verabschiedete. Der neuen Vorschrift zufolge wird Ungarisch als zweite Amtssprache in allen Gemeinden zugelassen, in denen die ungarische Minderheit mehr als 20 Prozent der Bevölkerung stellt. Das betrifft derzeit rund 500 Gemeinden, die überwiegend im Süden des Landes an der Grenze zu Ungarn liegen.

Doch die Eile der Volksvertreter hatte nicht nur mit der bevorstehenden Sommerpause des Parlaments zu tun. Vielmehr macht sich die Slowakei seit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr wieder Hoffnungen, doch noch in die erste Gruppe der Anwärter auf eine EU-Mitgliedschaft aufzurükken. Gerade die EU hatte eine Änderung des seit dem 1. Januar 1996 geltenden Gesetzes, das das Slowakische als einzige Amtssprache festschrieb, immer wieder zur Voraussetzung für einen möglichen Beitritt der Slowakei gemacht. Auch nachdem das Verfassungsgericht 1997 entschieden hatte, daß den Ungarn im Umgang mit Behörden das Recht auf Gebrauch ihrer Muttersprache zustehe, sah der damalige Premier Vladimir Mešiar keinen Handlungsbedarf – ein Änderung unterblieb.

Doch die jetzige Regelung stellt nicht alle zufrieden. Der ungarischen Sammelpartei SMK, die mit in der Regierung sitzt, geht das Gesetz nicht weit genug. Nicht nur die Begrenzung auf Gemeinden mit einem ungarischen Bevölkerungsanteil von mindestens 20 Prozent stößt auf Kritik. Auch hatte die Partei gefordert, den Gebrauch des Ungarischen auf andere Bereiche wie Schulen, Gerichte, Medien und Kultureinrichtungen auszudehnen. Alle Änderungsanträge scheiterten jedoch.

Der Chef der SMK, Bela Bugar, fühlt sich an finsterste Mešiar-Zeiten erinnert. „Auch die ehemalige Regierung hat oft Gesetze verabschiedet, die eher Pro-forma-Gesten waren und nichts mit den realen Bedürfnissen zu tun hatten. Vielleicht genügt das Sprachengesetz den Anforderungen der Europäischen Kommission. Uns wird es solange nicht helfen, wie es die Praxis ignoriert“, sagte er. Auch Mešiars „Bewegung für eine demokratische Partei“ (HZDS), seit 1998 Opposition, lief gegen das Gesetz Sturm und beschwor Anfang der Woche bereits die Gefahr einer Spaltung des Landes. Jetzt sammelt die HZDS Unterschriften, um die Frage in einem Referendum klären zu lassen. Ganz demokratisch. Barbara Oertel