Der Goldpreis im freien Fall

■ Die Entschuldung sollte Entwicklungsländern eine neue Chance geben. Doch die Goldverkäufe der westlichen Notenbanken beschwören nun eine neue Krise herauf

Entenhausens Dagobert Duck dürfte entsetzt sein: Der Wert seiner heißgeliebten Goldtalerchen ist auf ein Rekordtief gesunken. Noch vor 20 Jahren hätte der Enterich für jede Unze (31,1035 Gramm) 850 US-Dollar bekommen. Heute ist er auf weniger als ein Drittel gesunken – auf jetzt 255 Dollar.

Noch 1993 freuten sich Tausende von Goldkäufern über den sinkenden Preis in der Hoffnung auf baldige Profite. Gold war jahrzehntelang ein Mythos: eine krisensichere Anlage gegen die Inflation. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Heute warnen Experten, daß selbst dieses jüngsteRekordtief noch nicht das Ende bedeutet.

Schuld an dem letzten Preissturz ist die Bank von England, eine der wichtigsten Zentralbanken Europas. Sie verkaufte 25 ihrer 715 Tonnen Goldreserven. Insgesamt will sie in den nächsten Jahren noch weitere 390 Tonnen loswerden. Die Bank ist weder die erste noch die letzte, die Teile ihrer Goldreserven zum Verkauf anbietet. Das Metall hat gegenüber Wertpapieren nämlich einige Nachteile: Es bringt keine Zinsen, und seine Lagerung kostet Geld.

Seit der Internationale Währungsfonds (IWF) die Devisenbindung an Gold 1978 aufgegeben hat, halten viele Notenbanken es deswegen nicht mehr für nötig, die Barren zu bunkern. Es gibt mittlerweile lukrativere und fast ebenso sichere Anlagen auf dem Geld- und Aktienmarkt.

Für die goldproduzierenden Entwicklungs - und Schwellenländer ist der Absturz des Goldpreises eine Katastrophe. Die ehemalige Sowjetrepublik Kirgisien hat beispielsweise für die Kumtor-Mine, eine der größten Goldminen der Welt, 452 Millionen Dollar Kredite aufgenommen und fürchtet nun, diese nicht zurückzahlen zu können. An Gewinne ist erst recht nicht zu denken.

Goldfreunde, Konzerne und Goldexportstaaten blicken nun mit Spannung auf den IWF. Dieser will, um den auf dem Kölner G-7-Gipfel im Juni beschlossenen Schuldenerlaß zu finanzieren, zehn Prozent seiner Reserven verkaufen. Das sind 311 Tonnen.

Der Industrieverband der Goldproduzenten, das World Gold Council, hält diese Aktion für absurd. Der Verkauf würde den Abwärtstrend weiter verstärken. Gerade von den 41 hochverschuldeten armen Ländern, denen die Aktion zugute kommen soll, sind 31 schon im Goldgeschäft oder verfügen zumindest über Ressourcen, die sie zu Goldverkäufern machen könnten. Während also einerseits Schulden erlassen werden, verlieren diese Länder gleichzeitig wichtige Einnahmequellen.

Ob es allerdings zu den angekündigten Reserveverkäufen kommt, ist trotz der G-7-Einigung fraglich. Im US-Kongreß erheben sich Proteste. Kein Wunder: Besonders in den westlichen US-Bundesstaaten bauen Amerikaner selber Gold ab. Die USA haben im IWF eine Sperrminorität und können den im September anstehenden Beschluß verhindern.

Für den Schuldenerlaß müßten dann doch die Gläubiger selber in die Tasche greifen. Auch die Deutsche Bundesbank hat sich inzwischen zu einem Kommentar aufraffen können: Sie will kein Gold verkaufen und betont den Wert des Edelmetalls als Währungssicherung. Der September wird zeigen, ob sich Schatzhüter oder Politiker durchsetzen. Maike Rademaker