Der gute Mensch von Meck-Pomm

■ Testfall fürs geschulte Ostauge: „Polizeiruf 110: Über den Dächern von Schwerin“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD)

Schornsteinfeger bringen nicht immer Glück. Jens Meister (Uwe Rohde, mit Langmut) zum Beispiel. Der fotografiert. Er sieht sehr gut und viel und hält es fest. Seine Aussichten vom Dach sind immer schön. Vor allem wenn ein bekannter Politiker (Winfried Glatzeder) bei offenen Vorhängen mit einer Edelhure herumpoussiert. Oder ein Brandstifter fluchtartig seine Videothek verläßt. Zufallstreffer. Meister ist an sich kein Böser, sondern nur hochverschuldet. Er hat ein Buch mit seinen Fotos veröffentlicht und alles selbst finanzieren wollen. Das hat nicht geklappt. Und jetzt sieht er plötzlich eine potentielle Geldquelle.

Der Schweriner „Polizeiruf“ entwickelt seine Geschichte, was das Tempo angeht, nicht schnell, dafür aber höher und weiter. Das Drehbuch betreibt rasantes und ironisches Produktplacement Ost: Da ziert das Plaste-Sandmännchen vom „Abendgruß“ ein Fenster, „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ ist auf Video zu haben, und selbst dem Nichtraucher wird „Karo“ angeboten. Insofern ist „Über den Dächern von Schwerin“ unbedingt was fürs geschulte Ostauge. Motto: Finde die sieben Unterschiede! Auch sonst wimmelt es von anspielungsreichen Kalauern wie „Sind Sie Herr Kaiser von der Versicherung?“ oder „Dies ist kein Fall für zwei!“. Und es hagelt ordentlich Seitenhiebe auf die „Wessis only“-Vorgesetzten. Die halten das Russisch des Fensterputzers nämlich für Polnisch. Was einem Ossi wie Kommisar Hinrichs (Uwe Steimle) nicht passiert. Der stellt sich anders dämlich an. Selten blöd sogar. Diese ehrliche Dummheit klappert Hinrichs noch beim Gießen der Büropflanze von den Augendeckeln. Und das ist himmlisch anzuschauen.

Dieser Ruf nach der Polizei ist also eine ausgewogene Mischung, wenn auch eher Krimikomödie als Thriller. Der eigentliche Kriminalfall windet sich wie eine Serpentine. Jeder verdächtigt jeden und selbstverständlich den falschen, bis das Ganze wieder von vorn beginnt. Nur nicht alles so ernst nehmen! Keine Moral bitte, dafür aber viel Vergnügen.

Obwohl: Komissar Groths (Kurt Böwe) Enkelin arbeitet jetzt. In einem Reisebüro. Dort soll sie nörgelnden Omas, die nur am Kapitänstisch speisen möchten, Kreuzfahrten verkaufen. Den Job hat Opa besorgt und einen für die Ex-Hure Nina gleich dazu. Groth ist nämlich der gute Mensch von Meck-Pomm. Unbeirrt setzt er solides Handwerk gegen Hinrichs blinden Ehrgeiz. Kommissar Groth heißt mit Vornamen Kurt, und als er einmal so genannt wird, ergänzt man natürlich automatisch „Böwe“. Ja, Kurt spielt Kurt – heiter, schweratmig und völlig gelassen. Und außer ihm und den Frauen sind in diesem „Polizeiruf“ deshalb letztlich alle zu dumm: Verbrecher, Polizeibeamte und Politiker. Anke Westphal