Such, wo die Delphine sind

Seit sieben Jahren bietet der italienische Umweltverband Europe Conservation (ECO) Ökovolontariate als Form des ökologisch korrekten Tourismus an. Ein Ökovolontär auf Delphin-Schau   ■  Von Daniel Postulka

Wasser. In hohen Wogen. Keine Delphine. Die erste Fahrt mit dem 13-m-Regatta-Segler ist für uns Ökovolontäre schon die erste Probe. Auf Seetüchtigkeit. Zwar hängt niemand grünen Gesichts über der Reling, aber es denkt auch keiner an ein zweites Frühstück. Den Horizont fixieren, tief und regelmäßig atmen, positiv denken, so klappt es vielleicht. Die Sonne lacht am Himmel. Die hat's gut, die schaukelt nicht. Kaum vorstellbar, daß wir drei Tage später bei gleichem Wellengang unter Deck stehen, Brötchen schmieren und im Kühlschrank kramen – für das zweite Frühstück.

Wir sind in Apulien im Südosten Italiens. Hier finden sich nur wenige Sandstrände zwischen den felsigen Steilküsten, nur wenige deutsche Touristen zwischen den italienischen Urlaubern, und nur wenige Hotelblocks stören die Küstensilhouette. Anbieter von Erlebnisferien in der Natur haben dagegen Konjunktur. Der Anspruch der Europe Conservation Organisation (ECO) geht jedoch darüber hinaus. Der Umweltverband bietet nicht nur Abenteuer, sondern kooperiert unter anderem mit einem italienischen Forschungsinstitut, dessen Wissenschaftler die Reisen begleiten und die mit Unterstützung der Ökovolontäre forschen.

Nicola Conenna, der Präsident von ECO, holt mich in Polignano a Mare am Bahnhof ab. Wo Italien nicht von Touristen wimmelt, die Restaurants nicht mit Zigeunerschnitzel oder Baked beans werben, bringt man den Besuchern Gastfreundschaft entgegen. Wir fahren zur „Casale di Maltese“, einem ländlichen Kulturzentrum an der Straße zwischen Mola die Bari und Rutigliano. Auf dem halbrunden Vorhof unter den Pinien sitzen zwanzig Gäste. Die meisten kennen sich schon lange und kommen regelmäßig. Heute, an einem Dienstag, gibt es kein Kulturprogramm. Das fünfgängige Menü gibt mir die Gewißheit, noch nie wirklich italienisch gegessen zu haben. Ein Gedicht.

Am Morgen treffe ich die anderen Ökovolontäre und den kolumbianischen Meeresbiologen José, der als wissenschaftlicher Begleiter mitfährt. Im Pazifik ist er schon für die Inter-American Tropical Tuna Commission bei Thunfisch-Fängern als Beobachter mitgefahren, um zu kontrollieren, ob die Fischer beim Einholen der Netze die Delphine verschonen. Hier soll er Art und Anzahl von Delphinen ermitteln. Wir fahren zum Hafen von Otranto und gehen auf das Boot. Raffaele, der Skipper, erwartet uns an seinem Schiff und gibt uns eine Einweisung in die Besonderheiten der Schiffseinrichtung: die Fußpumpen für das Spül- und Kochwasser, die Lage der Lichtschalter, die Kojen, die Stauräume, die Handpumpe, mit der die Hinterlassenschaften aus dem Klo abgepumpt werden müssen.

Während wir aus dem Hafen auslaufen, erläutert Raffaele uns, wie das Großsegel und die Fock ausgepackt, vorbereitet und gesetzt werden. Er verteilt die Aufgaben. Liliana, die in Bari Veterinärmedizin studiert, steuert. José und Mario, ein 29jähriger Anwalt aus Bari, stehen am Mast und ziehen an den Enden die Segel hoch. Ich hocke an den Winden, den Rollen, mit denen das Tauwerk der Segel gestrafft wird, und ziehe mit. Raffaele erklärt die Befehle. Wir haben uns auf Englisch geeinigt, damit jeder von der internationalen Besetzung alles versteht. Weil Raffele weiß, daß, wenn es brenzlig wird, der Italiener mit ihm durchgeht, erklärt er uns die Befehle auch auf italienisch: cazzare – strammziehen, mollare – nachlassen, virare – wenden, strambare – halsen. Ich bin froh, daß ich zu arbeiten habe, so mache ich mir keine Gedanken darüber, wie ich mich auf dem schwankenden Schiff fühle.

Bald sind wir sechs Meilen von der Küste entfernt. Ich soll das Steuer übernehmen. Ich bin noch nicht ganz dahinter, da fegt mir der Wind das Käppi vom Kopf. Raffaele weist alle auf ihre Plätze und befiehlt mit seiner italienisch-englischen Mischung: „Virata! Ready? Go!“ José fischt mit einer Stange die Kappe wieder aus der See. Wir jubeln. Das erste Hut- über-Bord-Manöver ist geschafft.

Und die Delphine? Wie, denke ich mir, soll ich die suchen, wenn ich froh sein kann, nicht mit meinem Frühstück die Fische zu füttern?

Wind und Viermeterwellen bestimmen die See. Der Wind frischt auf, die Wellen schwellen weiter an, ein Unwetter zieht auf. Wir kehren um. Kaum Wind, im Hafen bricht ein Platzregen los. Für heute reicht es uns. Während der Regen auf das Deck prasselt, lassen wir uns die Spaghetti schmecken.

Am nächsten Tag geht alles schon viel leichter, obwohl die Wellen wieder hochspritzen. Wir wissen, was wir zu tun haben. Einmal glauben wir, in einiger Entfernung zwischen den Wellenbergen auf- und abhüpfende Spitzen zu sehen. Delphinrücken? Keine Einbildung, wir sehen sie länger.Am nächsten Tag geht alles schon viel leichter, obwohl die Wellen wieder hochspritzen. Wir wissen, was wir zu tun haben.

Wir wenden und fahren hart am Wind in Richtung unbekannte Hüpfobjekte, aber nach der Wende finden wir sie nicht mehr wieder. Wir suchen die Wellenlandschaft ab, mit und ohne Ferngläser. Vergeblich. Wie schon am Tag zuvor, nimmt die Windstärke am Nachmittag wieder zu. In Nähe des Hafens raffen wir die Segel und lassen uns an der Küste entlangtreiben. Gelegenheit für ein Bad. Das entschädigt zumindest ein bißchen für das Ausbleiben der Tümmler.

Am nächsten Tag ist die See glatt. Gute Chancen, Delphine zu entdecken. Der Wind weht von Nord, aus der Richtung, in die wir müssen. Hart am Wind geht es nach Norden. Wir möchten es heute bis Brindisi schaffen. Und bis dahin suchen wir weiter. Durch den steten Wind werden die Wellenberge, gegen die das Boot ankämpfen muß, wieder größer. Da! Vito schreit auf! Der Fotograf aus Bari zeigt aber nicht gen Horizont – wenige Meter neben dem Schiff gleitet eine Meeresschildkröte vorbei. Mindestens einen halben Meter groß. Wir wenden – unsere Ansprüche sind in den letzten drei Tagen gesunken –, aber das Tier ist nicht wiederzufinden.

In den sieben Jahren Ökotourismus haben schon viele Volontäre Wale in der Ligurischen See und Delphine im Ionischen Meer gesehen. Raffaele sieht die Meeressäuger hier regelmäßig. Der Forschungsbedarf im Mittelmeer ist groß, die Erkenntnisse über das kleine Meer und seine Bewohner sind lückenhaft und die Fördertöpfe für die Forschung klein.So ist das aus den USA importierte Konzept des Ökovolontariats zukunftweisend.

Wir werden keine Delphine mehr sehen. Auch morgen nicht. Aber ich bedauere es nur wenig. Meine MitfahrerInnen, die apulische Landschaft, das Meer und das Segeln waren es wert. Und werden es auch nächstes Jahr wert sein. Kontakt ECO-Deutschland: Volker Krück, Eichenstraße 6, 13156 Berlin, Tel: 0 30/47 75 01 81 ECO-Italien: Tel.: 00 39-80-4 24 12 98 Il Casale del Maltese, Contrada Pozzo Vivo, Provinciale Mola di Bari-Conversano, Telefax: 03 30-61 33 44, Infotel: 03 47-6 58 93 11, e-mail: xenofonte§tin.it http://www.ilcasaledelmaltese.mypage.org