Draskovic kocht sein eigenes Süppchen

■  Serbiens Opposition formiert sich zu einer neuen Allianz, die Milosevics Alleinherrschaft beenden soll. Ein möglicher Bündnispartner, Vuk Draskovic, ergeht sich indes in Hetztiraden gegen Kosovo-Albaner

Berlin (taz) – Daß die serbische Opposition in der Lage ist, Tausende Menschen gegen die Regierung des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic auf die Straße zu bringen, stellt sie täglich unter Beweis. Jetzt schein sich auch bei den Verantwortlichen die Erkenntnis durchzusetzen, daß eine Mobilisierung der Massen und ein gemeinsames Ziel nicht ausreichen, wenn entsprechende Organisationsstrukturen fehlen.

Gestern vereinbarten die beiden Oppositionsbündnisse „Allianz für Veränderung“ unter Federführung des Chefs der Demokratischen Partei, Zoran Djindjic, und die „Allianz demokratischer Parteien“ in Belgrad ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen das Miloševic-Regime. Beide Bündnisse haben nach eigenen Angaben ein Ziel: die Umwandlung Serbiens und Jugoslawiens von einer Autokratie zu einer Demokratie.

Das lose Aktionsbündnis umfaßt 36 demokratische Parteien und Vereine: außer der „Demokratischen Partei“ und dem Gewerkschaftsbund „Unabhängigkeit“ auch regionale Parteien aus der Vojvodina und dem Sandžak. Es fordert die Ablösung von Präsident Miloševic sowie freie und demokratische Wahlen unter Aufsicht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das Bündnis will die jetzigen Proteste in ganz Serbien mit einem Sternmarsch auf Belgrad im August und einem Generalstreik im September fortsetzen.

Daß Straßenproteste in Serbien durchaus etwas bewirken können, haben die Ereignisse vom Winter 1996/97 gezeigt, als die Opposition nach wochenlangen Demonstrationen die Annullierung der Kommunalwahlergebnisse erreichte. Auf der Strecke blieb jedoch das Bündnis der Initiatoren, Zajedno (Gemeinsam), das an persönlichen Eitelkeiten seiner Führer zerbrach.

Diese unheilvolle Geschichte droht sich jetzt zu wiederholen. Denn wieder kocht Vuk Draškovic, der Vorsitzende der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO), der je nach Bedarf entweder im Regierungs- oder Oppositionslager steht, sein eigenes Süppchen. Daß der Opposition ohne die Unterstützung von Draškovic die nötige Kraft für den ultimativen Schlag gegen Miloševic fehlt, dämmert wohl auch den neuen Bündnispartnern.

Anläßlich der Proteste in Kragujevac, einer Industriestadt, die sich Draškovic für seinen heutigen Auftritt ausgesucht hat, fehlte es nicht an Appellen. „Ich sage meinem Freund Vuk, daß heute sein Platz hier unter uns ist“, sagte Velimir Ilic, Bürgermeister von Cacak. Und Vuk Obradovic, Ex-Militär und Chef der Sozialdemokraten, befand: „Wir müssen unsere Parteiinteressen zurückstellen und als vereinte Front für ein neues Serbien kämpfen.“

Nur Zoran Djindjic mochte nicht in den Einheitschor einstimmen. „Mit Miloševic sind Reformen unmöglich. Draškovic hat gestern gesagt, daß man Miloševic stoppen und einige seiner Anhänger auswechseln könne. Wenn er seine Meinung ändert, wird ihn jeder in der Opposition akzeptieren“, sagte Djindjic. Doch leider sei Draškovic nach wie vor unentschlossen, ob er Tabula rasa machen oder auf die Reformierbarkeit des Systems setzen soll. Daß auch Draškovic nicht an einer Zusammenarbeit mit Djindjic interessiert ist, hat er in dieser Woche mehrmals klar zum Ausdruck gebracht. Am Donnerstag reiste er erstmals nach Athen und erging sich dort in Hetztiraden gegen die Kosovo-Albaner. Im Kosovo finde eine „ethnische Säuberung ungeheuren Ausmaßes“ statt, was beweise, daß das eigentliche Problem nicht die Serben, sondern die Albaner seien.

Gestern meldete die Nachrichtenagentur Beta, daß Vertreter oppositoneller Gruppen über einen sogenannten Nichtangriffspakt verhandeln. Darin sollen gegenseitiger Respekt bei Protesten und während der Wahlkampagne festgeschrieben sein. Ob der Pakt zustande kommt, ist fraglich.

Barbara Oertel