Unkompliziertes Zappeln

■ Fun-Punk mit Message: Die Venezuelaner Desorden Público hüpften sich ungehobelt in die Herzen der Heimatklänge-Crowd

Eine kleine Kolonne von Polizeiwagen reihte sich am Eingang des Tempodroms, als dort am Freitagabend die Heimatklänge ihre Premiere am neuen Ort feierten. Doch was war der Anlaß? Die einzigen paar Skinheads, die sich am Tatort tummelten, waren nicht gekommen, um die Party im Tempodrom zu sprengen, sondern um der zum Saisonauftakt aufspielenden Ska-Combo aus Caracas zu lauschen. Und falls die grünen Männchen gehofft hatten, wie einst im Tiergarten während des Konzerts munter Strafzettel verteilen zu können, so mußten sie gleichfalls unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Denn Parkplätze gibt es in der neuen Umgebung genug. Vielleicht hatte der Einsatzleiter aber auch einfach den Veranstaltungshinweis mißgedeutet.

Angekündigt war „öffentliche Unordnung“. Aber das war nur der Name der Band. Dennoch erwiesen sich Desorden Público als gute Wahl, um zum Heimatklänge-Einstand den Ton vorzugeben. Denn der ungehobelte Ska-Sound der Venezuelaner paßt wie die Faust aufs Auge zum Fabrikruinen-Charakter der neuen Spielstätte in Friedrichshain. Desorden Público stehen für Fun-Punk mit Message, seit mehr als zwölf Jahren gibt es die Band. Sie gehören nicht nur in Venezuela zu den Großen, auch zwei Europatourneen haben sie schon hinter sich, zweimal machten sie bereits Station in Berlin, weswegen der Sänger auch einige Brocken Deutsch kann. „Deutschland ist toll“, behauptet er sogar. In der internationalen Ska-Gemeinde haben Desorden Público einen guten Namen, weil sie ihrem Ska einen eigenen Geschmack beigeben.

So haben sie einen Titel der Specials im Repertoire, aber, wie der Sänger vorwarnt: „wir haben den Text geändert und den Reggae-Beat ersetzt durch einen Cumbia“, den kolumbianischen Tanzrhythmus. So wird munter gemischt, Salsa und Merengue mit Ska und Rock, und zum venezuelanischen Raggamuffin hüpft die Band synchron über die Bühne und in die Herzen der Heimatklänge-Gemeinde. Ihre Songs sind eingängig, auch muß man keine komplizierten Salsa-Schritte beherrschen, sondern kann unkoordiniert vor sich hin zappeln, was denn auch einige tun.

Doch so abwechslungsreich das Ska-Crossover ist, auf Dauer ermüdet es, weil Desorden Público keine Atempause einlegen, sondern in einem Tempo durchziehen. Wer es etwas ruhiger mag, kann, statt mitzuhotten, auch den ganzen Abend damit verbringen, in irgendwelchen Schlangen anzustehen, ein Bier holen oder den langsamsten Falafelbällchendrehern nördlich des Nils bei der Arbeit zuschauen. Die bunt erleuchteten Fenster lassen den stillgelegten Postbahnhof wie ein verwunschenes Schloß strahlen, und ein bißchen ist es wie früher im Yaam, auf der anderen Seite der Spree – alles ganz entspannt und zurückgelehnt. Nur als pünktlich um zwölf Schluß sein muß, gibt es doch noch ein klein wenig Tumult. Aber auch der hat sich bald gelegt. Daniel Bax