Hungern für den Abwasserpreis

■ Weil Brandenburgs Abwassergebühren in die Höhe schossen, traten zwei Frauen in Hungerstreik: Landesregierung lenkt nun ein

Berlin (taz) – Sieben Tage, sieben Nächte und noch einmal einen langen Morgen hat das Hungern gedauert. Seit Samstag mittag sitzen Anita Petri und Ingrid Feuerherd nicht mehr für alle sichtbar auf Campingstühlen vor der Kirche im südlich von Berlin gelegenen Darmsdorf, sondern arbeiten und schlafen wieder zu Hause. Zumindest bis zum 5. September.

Bis dahin will die brandenburgische Landesregierung, an die sich der Hungerstreik gerichtet hatte, klären, wie der Abwasserpreis bei unter zehn Mark pro Kubikmeter gehalten werden kann. Die beiden Frauen, denen sich im Laufe der Woche weitere Hungerstreikende angeschlossen hatten, fordern eine gesetzliche Kappungsgrenze. Die PDS unterstützt sie dabei, während die SPD-Landesregierung „verfassungsrechtliche Bedenken“ hat.

Die Geschäftsführung des Abwasserzweckverbandes Emster hatte im vergangenen Monat Berechnungen veröffentlicht, nach denen sie für einen Kubikmeter Abwasser rund 44 Mark kassieren müsse, wenn das Unternehmen kostendeckend arbeiten solle. Bereits jetzt sei es mit rund 100 Millionen Mark überschuldet.

Die Darmsdorfer und ihre Nachbarn befürchten, daß die Probleme auf sie abgewälzt und die Gebühren um ein Mehrfaches erhöht werden. Dabei liegen sie mit derzeit 9,85 Mark schon weit vorn – der Bundesdurchschnitt beträgt 4,84 Mark. Daß auch die durchschnittlichen Kosten in Brandenburg höher als anderswo liegen, hat mit der übereilten Gründung der öffentlich-rechtlichen Zweckverbände nach der Wende zu tun. Ausgehend von falschen Bevölkerungsprognosen, schlecht beraten und mit – betriebswirtschaftlich gesehen – zu vielen Beschäftigten wurden viele Anlagen zu groß und zu teuer gebaut. Kein Wunder, daß die 83 Verbände inzwischen Schulden von insgesamt 2,7 Milliarden Mark angehäuft haben, allein die Zinsen betragen 300 Millionen Mark im Jahr.

Nachdem die erste Bürgerinitiative 1998 vor die Gerichte gezogen war, hatte die Landesregierung ein auf zehn Jahre angelegtes Sanierungsprogramm angekündigt, über das sie insgesamt 380 Millionen Mark zur Verfügung stellen wollte. Die wenigsten Verbände haben jedoch bis jetzt die konkreten Pläne vorgelegt, die das Land verlangt. So gilt es für Petri und ihre MitstreiterInnen schon als Erfolg, daß die Landesregierung am Samstag auch erklärt hat, sie werde ab sofort bei der Kostenanalyse mithelfen. Beate Willms