Schluß mit den Steuerferien

Wettbewerbskommissar Van Miert ermittelt gegen baskisches Steuersystem – die Beurlaubung von der Steuerpflicht sei eine illegale Beihilfe  ■   Aus Madrid Reiner Wandler

Die baskische Regierung wird EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert so schnell nicht vergessen. Wenige Wochen bevor er aus dem Amt scheidet, eröffnete der Belgier jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen das Steuersystem im Baskenland und in der Nachbarprovinz Navarra. Van Miert will prüfen, ob es sich bei den Steuervorteile für sich neu ansiedelnde Betriebe um „illegale staatliche Hilfen“ handelt, die den freien Wettbewerb verzerren.

Die drei baskischen Provinzen Vizcaya, Guipuzcoa und Alava, sowie die Nachbarprovinz Navarra nutzen das aus dem Mittelalter rührende Recht, im Gegensatz zu den restlichen spanischen Regionen, eigene Steuergesetze zu erlassen, um Unternehmen anzulocken. Wer seine Produktion in eine der vier Regionen verlegt, kann mit angenehmen „Steuerferien“ rechnen. Vier Jahre lang werden ihm zwischen 25 und 99 Prozent der Körperschaftssteuern erlassen. Die drei Provinzen der baskischen Autonomie gehen sogar noch weiter: Wer in einem Geschäftsjahr mehr als 30 Millionen Mark investiert hat, bekommt über den sogenannten „Steuerkredit“ ein Viertel zurückvergütet.

Für Van Miert ist dies gleich in doppelter Hinsicht problematisch. Zum einen ziehen diese Regelungen Unternehmen aus den Nachbarregionen ab, zum anderen wird der benachteiligt, der weniger als besagte 30 Millionen Mark investiert.

Brüssel wurde durch die Klagen der anliegenden Region La Rioja auf die Handhabung der Steuer in spanischen Norden aufmerksam. Der Chef der riojanischen Regionalregierung Pedro Sanz Alonso verweist gerne auf den Fall des Unternehmens Ramodin, um zu illustrieren, was die Politik der vier für seine Region bedeutet. Der spanische Monopolbetrieb für Kronkorken verlegte seine Betriebsstätten Anfang des Jahres von der einen Seite der Grenze zwischen La Rioja und Alava auf die andere. Die Belegschaft blieb dem Unternehmen komplett erhalten, nur die Steuern sanken erheblich.

Bereits im Februar schritt Brüssel ein, als Daewoo eine Kühlschrankfabrik im Baskenland eröffnete. Dem koreanischen Konzern wurde sowohl die „Steuerferien“ als auch der „Steuerkredit“ gewährt. Nach Klagen andere, alteingesessener Haushaltsgerätehersteller wurde Daewoo dazu verurteilt die Hilfen zurückzuzahlen. Wenn Brüssel am Ende seines jetzt eröffneten Ermittlungsverfahrens das Steuersystem der vier insgesamt für illegal erklärt, könnte dies auch den anderen Betrieben blühen, die sich in den letzten Jahren im Baskenland und in Navarra niedergelassen haben.

Die Madrider Zentralregierung des Konservativen José Maria Aznar schweigt sich aus. Sie befindet sich in einer verzwickten Lage. Zum einen fordern die Nachbarregionen der vier, die alle von Aznars Volkspartei (PP) regiert werden, die Solidarität der Zentralregierung ein, zum anderen sitzt Aznar in Madrid mit den baskischen Nationalisten in einem Boot. Ohne deren Unterstützung könnte er nicht regieren.

Die baskische Autonomieregierung hatte am Freitag alle Parteien, Unternehmerverbände und Gewerkschaften im Regierungspalast zusammengerufen, „um gegen den Angriff aus Brüssel“ zu demonstrieren. Es gehe es um mehr als um Wirtschaftliches, sagt der baskische Regierungschef José Ibarretxe: Das Recht der Steuergesetzgebung sei nämlich „der Kern der Autonomie“ selbst. Mit diesen Worten spielt er geschickt die nationalistische Karte.

Karel Van Miert hält die Reaktion für übertrieben: „Wir greifen nicht die Steuerautonomie des Baskenlandes an, sondern nur einige Normen, die den Wettbewerb verzerren.“