Offener Brief
: Von der wahren Bildung zur Ware Bildung?

■ Kleine Erwiderung auf Senator Lemkes Einstand von einer Lehrerin und Mutter zweier schulpflichtiger Kinder

Sehr geehrter Herr Senator Lemke!

Schon in den allerersten Wochen Ihrer Amtszeit haben Sie mit sportlicher Energie die Ärmel hochgekrempelt, unter Ihren feinen Zwirn die running-shoes angezogen und sind mit marathonläuferischer Ausdauer durch etliche Schulen gejoggt. Es ist nicht selbstverständlich, daß ein Bildungssenator sich vor Ort blicken läßt. Auch meine Schule, das Schulzentrum Walle, haben Sie besucht und dabei recht genau hingeschaut. Öffentlich haben Sie nach diesem ersten run durch die Schulen festgestellt, daß dort zumeist gearbeitet wird – und gar nicht mal schlecht! Image-Verbesserung wollen Sie nun betreiben. Ausgezeichnet!

Allerdings vermittelten Sie den Eindruck, als hätten Sie nur die Firma gewechselt: Ihren Spruch „Die Schüler (und ihre Steuern zahlenden Eltern) sind meine Kunden und die will ich zufrieden stellen“ erinnert an Werder-Marketingdenken. Schule ist nicht dasselbe wie Werder. Auch wenn der showbusiness-Effekt populär klingt – dieser Spruch ist nicht nur falsch, sondern sogar gefährlich. Er steht einer vernünftigen Diskussion in der Bildungspolitik im Wege und kann fatale Folgen habe, wenn die Kinder ihn ernst nehmen und sich in ihrer Anspruchshaltung gegenüber der Schule bestärkt sehen.

In der Schule ist nicht der Kunde König, sondern es besteht Schulpflicht (bis hin zum die Jugendliche-abholenden grünweißen Auto) und die verpflichtet Sie auch inhaltlich. Es geht darum, die bildungspolitischen Ziele unter den finanzpolitischen Rahmenbedingungen neu zu definieren:

– Wie steht es denn mit der Ausstattung der Grundschulen, damit diese die garantierte Halbtagsschule umsetzen können? Sind Kinder aus sozial schwachen Familien, auf dem Bildungs-Markt vielfach „hoffnungslose Fälle“, für Sie zahlungsunfähige „Kunden“, also uninteressant? Oder werden Sie die Förderstunden wieder aufstocken?

– Haben Sie vor, die vielfältig stattfindende Schulentwicklung, Profilbildung, konzeptionelle Weiterentwicklung an den Schulen wieder mit Stunden-Kontingenten zu unterstützen? Sie lobten in meiner Schule zum Beispiel das „offene Ohr“, die Pausen- und Freistundengestaltung mit Fitnessraum, Cafete und anderem. Aber die Einrichtung und Betreuung von nichtunterrichtlichen Projekten und Arbeitsgemeinschaften, die Mitarbeit in themenbezogenen und internationalen Netzen, die Koordination von europäischen Schulpartnerschaften – dieses alles funktioniert nur, wenn als Lehrerarbeitszeit nicht nur die auf Unterricht verwendete Zeit gewertet wird.

– Sie reden so gerne von Sponsering. Mit der Freigabe der Werbung „würde unterstrichen, daß die SchülerInnen dem demokratischen Staat nicht genügend Geld für eine angemessene (Aus-)Bildung wert seien“, hat unsere Schulkonferenz festgestellt und daher die Aufhebung des Werbeverbots an Schulen aus pädagogischen und politischen Gründen strikt abgelehnt. Wie wollen Sie, wenn Sie offensiv für Werbung an den Schulen plädieren, die bildungspolitische Unabhängigkeit und die Chancengleichheit (die Schwachen gehen bei der Sponsoren-Lobby leer aus!) garantieren?

Bildungspolitik braucht Lobby. Es wird notwendig sein, dafür zu streiten – auch öffentlich. Dies „in die Kabine“ zu verbannen wäre schon ein Rückzug, weil Bildung als politische Angelegenheit eine Sache der Öffentlichkeit ist. Werden Sie die Auseinandersetzung um die Erhöhung des Bildungsetats für ein modernes Bremer Schulwesen mit Ihren Senatskollegen offensiv führen?

Sie können sicher sein, daß Sie dann große Unterstützung aus den Schulen und von der bremischen Öffentlichkeit bekommen werden.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen produktive Sommerferien und grüße Sie

Barbara Larisch

Lehrerin und Mutter von zwei zur Zeit schulpflichtigen Kindern