Volksbegehren verfassungswidrig?

■ Landesregierung Niedersachsen bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens zu Kindertagesstätten / Bisher 574.000 Unterzeichner

Hannover. Das Volksbegehren zum niedersächsischen Kindertagesstättengesetz ist nach Einschätzung der SPD-Landesregierung vermutlich verfassungswidrig. Eine interne Prüfung der Staatskanzlei und des Kultusministeriums habe „erhebliche Zweifel“ an der rechtlichen Zulässigkeit ergeben, berichtete Regierungssprecher Jürgen Koerth gestern in Hannover. Endgültige Aussagen ließen sich aber erst treffen, wenn die Initiatoren den Antrag auf Zulässigkeit des Volksbegehrens stellten. Diesen werde die Regierung von einem externen Gutachter juristisch prüfen lassen.

Die Initiative für das Volksbegehren teilte derweil mit, sie habe inzwischen rund 574.000 Unterschriften gesammelt und damit die erforderliche Zahl von knapp 593.000 Unterzeichnern schon fast erreicht.

In ihrer Vorprüfung kommt die Regierung zu dem Ergebnis, „daß das Volksbegehren wesentliche Mängel enthält, die die Unzulässigkeit begründen und die überwiegend auch nicht durch Änderungen des Gesetzentwurfes behoben werden können, wenn die bisher geleisteten etwa 500.000 Unterschriften anerkannt bleiben sollen“. Regierungssprecher Koerth meinte, wenn sich das Volksbegehren als verfassungswidrig erweise, seien die 500.000 Unterschriften „in den Wind geschrieben“.

Zur Begründung führt das Gutachten an, daß das Volksbegehren Kosten von rund 67 Millionen Mark jährlich zur Folge hätte, weil die Initiatoren das alte Kita-Gesetz von 1995 wieder in Kraft setzen wollten. Dieses sieht noch einen Landeszuschuß von 25 Prozent zu den Personalausgaben vor, der von 1997 an aber auf 20 Prozent verringert wurde. Das Volksbegehren greife damit in den Haushalt ein, was laut Landesverfassung nicht zulässig sei. Zum anderen bestünden erhebliche Zweifel seitens der Landesregierung, ob überhaupt schon – wie erforderlich – ein hinreichend ausgearbeiteter Gesetzentwurf vorliege.

Koerth versicherte, Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) sei weiter zu Gesprächen bereit, allerdings müsse vorher absehbar sein, daß diese zu einer Einigung führten. Die Landesregierung habe bislang aber noch kein Gesprächsangebot erhalten. Dagegen berichteten die Initiatoren des Volksbegehrens, Glogowski habe schon in der vergangenen Woche ein Gesprächsangebot akzeptiert. Dabei solle ausgelotet werden, ob eine verbindliche Absicherung der Standards bei Kitas per Verordnung möglich ist.

Die Grünen im Landtag forderten die Regierung zu „konstruktiven Verhandlungen“ mit den Initiatoren des Volksbegehrens auf. Ihre jugendpolitische Sprecherin Meta Janssen-Kucz warnte vor einem „langwierigen Rechtsstreit“. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel forderte ein „Bündnis für Kinder statt sinnlosen Prinzipienstreit“. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Wulff warf der Landesregierung „nicht mehr zu überbietende Scheinheiligkeit“ vor. Auf der einen Seite würden den Eltern Gespräche angeboten und Kompromißsignale gesendet, auf der anderen Seite werde mit angeblicher Verfassungswidrigkeit des Volksbegehrens gedroht, so CDU-Chef Wulff.

Der Niedersächsische Städtetag begrüßte das Ergebnis der Vorprüfung. Diese stimmten offensichtlich mit der Auffassung des Städtetags überein, sagte sein Präsident Ulrich Mädge. dpa