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Die erträgliche Leichtigkeit des Leberkäses

■ Theatralisches Sommerloch? Bei der „Regionale Kapitale 2“ im Prater sind die Mitropa-Stühlchen nicht voll besetzt. Auch nicht, wenn es um polnische Bankräuber geht

„Heiiiißer Sommer in diesem Jahr, ist ein heiiiißer Sommer – wie wunderbar“, sangen Chris Doerk und Frank Schöbel im gleichnamigen Kultfilm aus den Siebzigern. Heiiiß ist der Sommer auch in diesem Jahr. So heiß, daß er überall Löcher hinterläßt. Im Kopf, in der Zeitung und im Kulturbetrieb.

Um wenigstens das theatralische Sommerloch zu stopfen, stapfte das Kulturamt Prenzlauer Berg deshalb in den Berliner Prater und organisierte dort ein eigenes Festival mit dem Titel „Regionale Kapitale 2“. Eine „sommerliche Leichtigkeit für Augen und Ohren“ heißt es im Veranstaltungsplan: Was einen im Foyer und auf der Hinterbühne des Praters seit dem 15. Juli und noch bis zum 1. August erwartet, sind 15 Kunst- und Kulturprojekte unterschiedlicher Genres. Mit Horch und Guck – dem „Hör-Spiel“, „Song-Spiel“ und „Körper-Spiel“ – sollen die Sinnesorgane auch bei allergrößter Hitze noch Kulturelles erleben dürfen.

Für das Festival unter dem Faustischen Motto „Komm doch das Hügelchen heran/Hier ist's so lustig wie im Prater; Und hat man mir's nicht angetan, So seh ich wahrlich ein Theater“ hatten sich beim Bezirksamt über 60 Produktionen beworben, darunter Masken, Puppen- und Opernspiele, Diaprojektionen und Textperformances. Nachdem die bezirklichen Kulturschaffenden bereits im letzten Jahr mit drei Theaterproduktionen das Konzept entwickelten, in den Theaterferien für Sommerfrische zu sorgen, wurde in diesem Jahr in einem Auswahlverfahren für das gleiche Geld (50.000 Mark) die Anzahl der Programme auf das Fünffache aufgestockt. Man hatte auf die Besonderheit der Erstaufführungen verzichtet und statt dessen alten Produktionen Platz eingeräumt. Das nennt man doch Arbeitsbeschaffungsmaßnahme! Die Sparregelung jedenfalls schien zu einer augenscheinlichen Wertminderung zu führen: In dem Hörspiel „Umzug“ von Hermann Harry Schmitz beispielsweise saß man schief grinsend und stumm schockiert vor zwei Lautsprechern, aus denen seltsame Stimmen drangen. Wo waren nur die Schauspieler? Eberhard Esche, Herbert Fritsch und Carmen Maja Antoni? Ihretwegen war ich doch das Hügelchen heraufgeklettert, nachdem ich ihre Namen im Programmheft gelesen hatte. Aber sie kamen nicht! Statt dessen waren ihre Stimmen auf ein Band gepreßt worden. Zwar von Musikern begleitet, hätte man sich dies gut und gerne auch im Prater-Garten nebenan anhören können, bei einer schönen Bratwurst, einem Leberkäs' oder auch einem Bier. Dieser jedenfalls war rappelvoll – im Gegensatz zur kleinen Hinterbühne des Praters.

Auch bei den „Abenteuern des Kai von Kühn“, geschrieben und gesprochen vom Surfpoeten Robert Weber, waren die Mitropa-Stühlchen nicht voll besetzt. Dafür war es ein wirklich lustiger Abend. Man erlebte zusammen mit Kai von Kühn, einem abgehalfterten Shaolin-Priester, aufregende Abenteuer im multikulturellen Deutschland, das im asiatischen Deutsch zum „Sumpf des Velblechens gewolden ist“: Polnische Bankräuber, türkische Jugendgangs, russische Mafiosi und rechtsradikale Schlägertruppen begegnen Kai bei der Suche nach seinem Bruder und machen ihm das Leben allzu schwer. Doch Kai, der mit seinem Über-Ich – dem Shaolin Lehrmeister – regelmäßig in Kontakt steht, transformiert seinen „Geist zum Schwelt“ und überlebt mit dieser schlauen „Legel“ prompt am Ende alle.

Am Ende alle ist man auch, wenn man die ganzen drei Programme, die pro Abend laufen, hinter sich hat. Da will man dann mal raus aus dem dunklen Foyer des Praters, das mit Starpostern und Sexbildchen zugeklebt ist. Auch wenn die Kulturamtsleiterin Andrea Gärtner uns angenehme Abende wünscht und an den Sommer in Berlin glaubt.

Katja Hübner ‚/B‘ Vom 22. – 25. 7. „Song-Spiel“ mit dem Ensemble Weil, vom 29.7. –1. 8. „Körper-Spiel“ mit dem Puppentheater Kasoka, jeweils im Prater, Kastanienallee 7 – 9

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