Stasi-Knast statt Shopping-Meile

■ Ehemalige Häftlinge erzwingen durch Besetzung den Bau einer Gedenkstätte

Gera (taz) – Anderthalb Tage genügten dem Verein „Gedenkstätte Amthordurchgang“, um das zu erreichen, was er anderthalb Jahre nicht schaffte. Fünf ehemalige Häftlinge und Vereinsmitglieder besetzten bis Dienstag abend den früheren Stasi-Knast in Geras Zentrum. Ihre Forderung: Die Fraktionschefs der regierenden SPD und CDU sollen erscheinen und endlich verbindlich werden. Seit Anfang 98 kämpft der Verein um die Errichtung einer Gedenkstätte in der ehemaligen Haftanstalt. Doch die Landesregierung, Eigentümerin des Areals, hat andere Pläne: den Neubau eines Einkaufszentrums und einen Anbau am Landgericht.

Einer der Besetzer war Thüringens Stasi-Beauftragter Jürgen Haschke. Die Landesregierung habe zu den Verhandlungen „immer nur Buchhalter geschickt, rausgekommen ist nichts“. Die anderen ostdeutschen Landesbeauftragten warfen der Erfurter Regierung „Geschichtsbereinigung mit der Abrißbirne“ vor.

Von 1933 bis 1945 Gestapo-Knast, war das Gefängnis „Amthordurchgang“ danach Häftlingssammelstelle des sowjetischen Geheimdienstes, seit 1952 Stasi-Anstalt. Unter ungeklärten Umständen kam hier 1981 der Jenaer Bürgerrechtler Matthias Domaschk ums Leben. 1990 wurde ein versteckter Röntgenapparat entdeckt, mit dem Inhaftierte – wie der kürzlich an Krebs gestorbene Schriftsteller Jürgen Fuchs – bei „Fototerminen“ radioaktiv verstrahlt worden sein sollen.

Erschienen sind in Gera zwar nicht die Fraktionsspitzen. Dafür meldete sich Landtagspräsident Pietzsch (CDU) per Telefon. Er werde sich für ein würdiges Andenken an die Opfer des Terrors im Torhaus des Gefängnisses einsetzen. Erste Maßnahme: Der Abriß wurde ausgesetzt. Ein schlüssiges Konzept sollen jetzt die Staatssekretäre von Finanz- und Justizministerium erarbeiten. Unter Einbeziehung des Vereins. Nick Reimer