: Nach Massenmord: KFOR weist Kritik ab
■ Rußlands Außenminister gibt der Nato Mitschuld am Tod von vierzehn serbischen Bauern im Kosovo
Priština/Gracko (dpa/AFP/taz) – Die Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen im Kosovo haben am Wochenende durch ein Massaker an 14 serbischen Bauern einen schweren Rückschlag erlitten. Die Leichen waren am Freitag abend von britischen KFOR-Soldaten in der Nähe des Dorfes Gracko auf einem Feld entdeckt worden. Unter den Opfern des schlimmsten Massakers seit dem Abzug der jugoslawischen Truppen ist auch ein 15jähriger Junge. Über die Täter gab es zunächst nur Spekulationen.
Das Massaker hat international Bestürzung und scharfe Proteste ausgelöst. Die Kosovo-Friedenstruppe KFOR begann am Wochenende eine großangelegte Suche nach den Mördern. „Es war ein feiger Akt brutalen, kaltblütigen Mordes gegen einfache Bürger, die die Sommerernte einbrachten“, erklärte der Kommandeur der KFOR, der britische General Michael Jackson: „Laßt diese Mörder nicht ihr Ziel erreichen. Im Kosovo wurde genug Blut vergossen.“
Die Gegend um den Tatort wurde von KFOR-Soldaten abgeriegelt, die Toten wurden zu einer Untersuchung in ein Krankenhaus nach Priština gebracht. Vertreter des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag sollen die Untersuchungen vor Ort leiten. Nach Angaben der KFOR müssen sich die Täter dem Feld zu Fuß genähert haben, da es keine Reifenspuren in der Nähe gegeben habe. Die Gemeinde Gracko, rund 20 Kilometer von Priština entfernt, wird fast ausschließlich von Serben bewohnt. Bislang galt das Zusammenleben zwischen den 80 serbischen und 2 albanischen Familien als problemlos. Vor dem Massaker habe es aber telefonische Drohungen gegeben, berichtete eine Einwohnerin.
Jackson bestätigte gestern, daß die Serben für ihre Feldarbeiten eine Schutzpatrouille der KFOR gefordert hatten. Die Landwirte hätten sich dann aber schon am Freitag entschlossen, mit den Arbeiten zu beginnen. Die KFOR-Patrouille war nach den Worten des Generals für Samstag zugesagt. Die Toten werden heute in Gracko beigesetzt. Dies teilte ein Sprecher der orthodoxen Kirche mit. KFOR-Soldaten verstärkten offenbar unter dem Eindruck des Massakers die Sicherheitsmaßnahmen im Umkreis von Kirchen und Klöstern.
Der russische Außenminister Igor Iwanow gab indirekt der Nato eine Mitschuld an dem Tod der Bauern. Die Allianz verfolge „fortgesetzt eine Politik des Kokettierens mit den albanischen Extremisten und Separatisten“, zitierte die Nachrichtenagentur ITAR TASS Iwanow. Der Leiter der UN-Übergangsverwaltung, Bernard Kouchner, verurteilte die Morde als unmenschliche und sinnlose Tat. Die Verantwortlichen müßten gefunden und vor Gericht gestellt werden. Auch der Chef des Generalstabs der UÇK, Agim Ceku, verurteilte die Morde nach einem Treffen mit Jackson. Der jugoslawische Präsident Miloševic erklärte am Samstag, die KFOR trage „allein und in vollem Umfang“ die Verantwortung für das Massaker. Er verlangte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. Der serbische General Nebojsa Pavkovic sagte nach Meldung der Nachrichtenagentur Tanjug, er erwarte von der UN, daß sie bald „jugoslawische Sicherheitskräfte einlädt, um bei der Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung [im Kosovo] zu helfen, so wie es im militärisch-technischen Abkommen“ zwischen der Nato und Belgrad vorgesehen sei. gb
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