Herr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Albert Hefele

Nächsten Samstag ist Turnier. Wenn Turnier ist, bin ich schon lange vorher irgendwie aufgeregt. Nicht richtig nervös mit Schweißausbruch und so, das nicht, aber eine sachte Aktivierung des Vegetativums kann ich nicht leugnen. Ein leichtes Vibrieren der Schleimhäute, eine fast unmerklich erhöhte Darmperistaltik ... war das zu intim? Sagen Sie's ruhig, ich nehm's zurück. Um welches

Wir Großfüßler – Netzer, Schuster, ich – sind geschaffen, lange Bälle zu spielen

Turnier es eigentlich geht? Mexiko? Nein. Sparkassenpokal. Kleinfeldturnier. Es wird auf zwei Plätzen gleichzeitig gespielt. Mit Linienrichter. Und Budenstraße. Das hört sich gut an, das hat Klasse, finden Sie nicht?

Es wird alles da sein, was Rang und Namen hat in der Szene. Die Jungs vom Stadtkrankenhaus, jetzt mit Altenheim Zangmeisterstraße vereinigt, Wasserwerk, zwo AOK-Mannschaften, die starke Truppe von den Heimwerkerstätten. Stadtsparkasse logisch – und: Obst- und Gartenbauverein Hermeringen. Das sind wir. Sie müssen nicht schmunzeln. Der Obst- und Gartenbauverein hat eine nicht unerhebliche Tradition im Hobbyturniergeschäft. Kein Hobbyturnier ohne den Obst- und Gartenbauverein. In unserem besten Jahr – das war 93 oder 94 – sind wir zweimal Dritte geworden. Es gab einmal einen – zugegeben winzigen – Pokal und das andere Mal einen Teller. Den halten wir in Ehren.

Turnier ist nämlich nichts Alltägliches, auch für einen so routinierten Mann wie mich. Mein Gott, was habe ich schon Turniere gespielt und freundschaftliche Vergleiche. Meistens rechts hinten oder rechtes Mittelfeld. Ich habe nämlich nur einen rechten Fuß. Den linken bloß zum Bierholen, wie man so sagt. Einmal sogar gegen Kalle Riedle gespielt. Das war ... 97.

Prominentenspiel. Prominent waren die anderen. Wir waren eine Art Kanonenfutter. Trotzdem. Kalle Riedle kam auf mich zu, und ich war vor Begeisterung gelähmt, und Kalle Riedle rannte an mir vorbei – gar nicht mal so wahnsinnig schnell – und machte das Tor. Mein Gott, da muß er sich nix darauf einbilden. Ich konnte ihn doch nicht umnieten. Er hatte schließlich noch einen Vertrag in Liverpool.

In meiner wilden Zeit hätte ich ihn umgenietet, da war ich ein Grätscher. Mit zunehmendem Alter bin ich vom reinen Abwehrbollwerk zum – ja – Spielgestalter geworden. Man rühmt meine Flanken aus dem Midfield ... „Midfield“ hört sich gut an, finden Sie nicht? Ich hab' nämlich ziemlich große Füße. Was das damit zu tun hat? Mit „Midfield“ nichts, aber mit den Flanken. Passen Sie auf: Spieler mit kleinen Füßen können gut dribbeln, dem Ball schnelle Richtungsänderungen verpassen. Wir Großfüßler dagegen – Günter Netzer, Bernd Schuster, ich – sind dazu geschaffen, die langen Bälle zu spielen. Logisch. Der durch den langgestreckten Fuß auf den Ball wirkende Einfluß gibt dem Ball anhaltende Flugstabilität. Könnte ich mir jedenfalls denken. Deswegen die Erwähnung der großen Füße, und deswegen bin ich ein berühmter Flankengott. Na ja, so ähnlich. Nicht gerade berühmt und ein Flankengott auch nicht. Aber ganz passabel. Wenn alles paßt, dann kann sich so ein Ding schon mal nicht unflott in den Strafraum senken.

Soll ich Ihnen noch eine Geschichte erzählen? Wie ich damals mit Joschka Fischer zusammen gespielt habe? Ich kann's beweisen – ich habe fotografische Aufnahmen. Da waren wir die Prominenten. Jedenfalls: Joschka ist Mittelstürmer, und ich geh' rechts durch, bin völlig frei – vielleicht noch 25 Meter zum Tor. Und Joschka – wir waren damals per du, weil Joschka damals noch nicht Außenminister war –, also Joschka sieht mich antreten und dreht sein Bäuchlein – das er damals noch hatte – in meine Richtung und spielt den Ball genau im richtigen Moment ab. Kein Abseits, ich bin völlig frei. Leider kommt ihm beziehungsweise uns so ein blöder Abwehrspieler von den Unprominenten in die Quere und versaut die ganze schöne Aktion ... Und wir sehen uns an und zucken mit den Schultern, und Joschka spricht die Worte: „Wenn der gekommen wäre, wärste durch gewesen ...“ Das hat er damals zu mir gesagt. Wenn Sie möchten, können Sie gerne noch ein Weilchen drüber nachdenken.