Verführen lassen

Neun Hamburgerinnen versuchen, eine Stadtverführerin an die Frau zu bringen  ■ Von Karin Flothmann

Die Adresse ist gediegen. Mitten im Viertel der alten Hamburger Kaufleute zwischen Rathaus und Rödingsmarkt residierte unlängst noch ein kleiner aber feiner Verlag. Wählt man heute die Nummer, so ertönt prompt eine sonore männliche Anrufbeantworterstimme: „Die Rufnummer des Verlags Rasch und Röhring hat sich geändert“, heißt es. Und dann wird man aufgefordert, eine Telefonnumer mit Münchner Vorwahl zu wählen. Die gehört zu Hannelore Schwingenstein.

Gerda Stammer kommt aus Süddeutschland, doch schon vor Jahren verschlug es sie nach Hamburg. Hauptberuflich kümmert sie sich um Organisation und Verwaltung einer Unternehmensberatung. In ihrer Freizeit verlegte sich Gerda Stammer aufs Büchermachen. Zusammen mit neun anderen Frauen entwickelte sie vor gut zwei Jahren eine Idee und verschickte das Konzept an x Verlage. Rasch und Röhring war interessiert. Die neun Herausgeberinnen legten sich ins Zeug und heraus kam Die Stadtverführerin Hamburg ein FrauenLesbenStadtLeseBuch.

„Der Titel ist im Moment völlig vergriffen“, sagt Hannelore Schwingenstein. Kurz vor den Alpen betreibt sie eine Verlagsagentur, sorgt manchmal für den Vertrieb von Büchern und kümmert sich auch schon mal um eine Verlagsabwicklung. „Rasch und Röhring wird – wie es so schön heißt – still liquidiert“, erklärt sie dann. Das ist seit Anfang des Jahres öffentlich bekannt. Seither versucht Hannelore Schwingenstein die Bücher des Verlags zu verkaufen. Für Die Stadtverführerin interessierten sich Rotbuch und der Orlanda Verlag in Berlin. Doch letztlich war das Buch beiden Verlagen zu teuer.

Immerhin besticht die 320-Seiten starke Stadtführerin durch ein recht eigenwilliges und daher aufwendiges Layout. Statistisches wechselt mit Collagen. Frauen erzählen von ihrem Leben in Hamburg. Arbeit und Bildung finden ebenso Platz wie kreative Räume. Und neben Gedichten, Reportagen oder Kurzgeschichten gibt's natürlich jede Menge Tips und Adressen.

Auch Rasch und Röhring war das Buch zu teuer. Also verzichteten die neun Herausgeberinnen auf ihr Honorar und sorgten dafür, daß ein wenig Werbung die Seiten zierte. „Letztlich“, so erzählt Gerda Stammer, „haben wir an die 14.000 Mark in das Buch gesteckt.“ Im Sommer vergangenen Jahres sollte es dann erscheinen. Im Oktober hielten die neun Herausgeberinnen ein paar erste Exemplare in den Händen. 800 Stadtverführerinnen wurden insgesamt gedruckt. Dann, so erzählt Gerda Stammer, „wurde mitten in der Produktion der Betrieb gestoppt“.

2200 Druckfahnen liegen nun noch in der Druckerei. „Sie müßten nur aufgebunden werden“, sagt Hannelore Schwingenstein, das heißt ihnen fehlt noch das Aussehen eines Buches inklusive Umschlag. Doch ohne Vorkasse will die Druckerei nicht mehr aktiv werden, eine stille Liquidation reicht ihr. Hannelore Schwingenstein setzt daher auf die Herausgeberinnen. Denn die wollen mit einer eigenwilligen Aktion dafür sorgen, daß die Stadtverführerin doch noch an die interessierte Frau kommt.

„Wir möchten dem Buch eine letzte Chance geben“, sagt Gerda Stammer. 200 Exemplare wollen die neun Herausgeberinnen daher in Eigenregie vertreiben. Interessierte Frauen können die Stadtverführerin noch bis zum 15. September zum Preis von 30 Mark bestellen – müßten es jedoch auch vorab bezahlen. „Sollte die Aktion wider erwarten mißlingen, gibt's das Geld selbstverständlich zurück“, verspricht Gerda Stammer.

Bestellt werden kann das StadtLeseBuch „Die Stadtverführerin“ beim Frauenbuchladen in der Bismarkstraße oder direkt bei: Sophie Brackrock, Agathenstraße 11, 20357 Hamburg, 44 80 94 08. Bankverbindung: ApothekerInnen- und ÄrztInnen-Bank, Kto-Nr. 0103 835 693, BLZ: 200 906 02.