: Bund unterliegt vor Gericht
■ Mieter wollen nicht aus Alliiertenwohnungen ausziehen. Bund konnte bislang für Bonner Beamte keinen konkreten Bedarf nachweisen, genau das aber verlangt das Gericht
Der Streit um die Alliiertenwohnungen in Berlin wird vermutlich zu einer kleinen Prozeßlawine führen. Bislang stehen sich Bund und Mieter unversöhnlich gegenüber. „Wir fordern, daß der Bund endlich Vernunft annimmt“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter. Der Verein vertritt einen Großteil der jetzigen Mieter, die in ihren Wohnungen bleiben wollen, vor Gericht.
Der Bund, der 1994 die Berliner Alliiertenwohnungen von den Amerikanern zurückbekommen hatte, vermietete von den 6.500 Wohnungen 4.000 umgehend an bundeseigene Wohnungsbaugesellschaften, die die Wohnungen auf dem freien Markt anboten. Den Mietern wurde nur ein befristeter Vertrag angeboten. Sie verpflichteten sich auszuziehen, wenn die Bonner Bundesbeamten vom Rhein an die Spree ziehen, so der Sprecher Oberfinanzdirektion Helmut John.
Der Zeitpunkt ist gekommen. Doch 253 Mieter, die ihre Domizile im schicken Berliner Südwesten in Kladow, Düppel, dem Hüttenweg oder der Charlottenburger Heerstraße laut Vertrag bereits verlassen hätten müssen, blieben. „Bei 113 sind bereits Räumungsklagen anhängig“, so John. „Die Mieter wußten von Anfang an, daß sie irgendwann ausziehen müssen“, rechtfertigt der Sprecher die starre Haltung des Bundes, die allerdings bislang vor Gericht nicht erfolgreich war. Der Bund hat schon mehrere Berufungsverfahren verloren. „Wir werden nicht klein beigeben“, sagt John. Die Klagen seien nur aus formalen Gründen zurückgewiesen worden. In Wahrheit „entscheidet da ein Berliner Richter für die Stammberliner. Nichts anderes.“
Der Mieterverein hält die Forderung des Bundes für unsinnig, alle Wohungen zurückzufordern. Die ursprünglich erhobenen Zahlen stimmten nicht. Viel mehr Bonner als erwartet schauten sich auf dem freien Wohnungsmarkt um. „Zudem wollen die Bonner lieber in gehobeneren Wohnsegmenten leben als in Anlagen, die in den 50er und 60er Jahren gebaut worden sind“, argumentiert Vetter vom Mieterverein.
In dieser Linie bewegt sich auch das Landgericht, das vom Bund gefordert hatte, konkreten Bedarf nachzuweisen. „Wie soll das gehen? Da kommt ein potentieller Mieter und will sich eine Wohnung angucken, und der derzeitige Mieter sagt dann: ,Hau doch ab‘ “, schildert John drastisch die Lage. Da sei es doch klar, daß der Interessent lieber woanders suche.
Als Motive, warum einige der derzeitigen Mieter, meist Familien mit Kindern, gerne in den Alliiertenwohnungen bleiben wollen, nannte John neben der grünen Umgebung und dem „akzeptablen Quadratmeterpreis von derzeit 15 Mark kalt“ die Hoffnung der Mieter „auf ein homogenes Umfeld“. „Die glauben, sie wohnen in Zukunft mit ruhigen Bonner Beamten zusammen.“ Der Geschäftsführer des Mietervereins berichtet, daß „die Familien dort mittlerweile schlicht und einfach verwurzelt sind“. Annette Rollmann
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