Daewoo-Debakel zeigt Schwächen auf

■ Ein Konkurs des Firmenkonglomerats könnte Süd-Korea in eine neue Krise treiben. Ruf nach Verstaatlichung wird laut

Tokio (taz) – Deutlicher hätten die Schwächen der Wirtschaftsreformen in Süd-Korea kaum zu Tage treten können: Die Schuldenprobleme von Daewoo, dem zweitgrößten Firmenkonglomerat des Landes, haben einen Börsensturz eingeleitet, der nur mit dem Einsatz von rund 3 Billionen Won (4,6 Milliarden Mark) öffentlicher Gelder entschärft werden konnte.

Trotz der Rettungsaktion kann die Daewoo-Führung nicht aufatmen. Sie muß den mit mindestens 57 Billionen Won (87,2 Milliarden Mark) verschuldeten Konzern radikal restrukturieren, falls sie nicht mit einem Konkurs das ganze Land in eine neue Krise führen will. Obwohl die Gläubigerbanken vor einer Woche die Zahlungstermine für mehr als 7 Billionen Won (10,7 Milliarden Mark) um ein halbes Jahr verlängert und weitere 4 BillionenWon (6,1 Milliarden Mark) in den Konzern gesteckt haben, haben die Anleger das Vertrauen verloren.

Das Eingreifen der Regierung war nötig geworden, nachdem Daewoo als Gegenleistung für den Zahlungsaufschub Aktien seiner Tochtergesellschaften angeboten hatte: Dadurch sackten die Kurse weit unter den Nominalwert ab. Der Sturz weitete sich auf die Aktienwerte der Hauptgläubiger aus.

Außer den 3 Billionen Won für die Restrukturierung des Konglomerats muß die Regierung also wohl einen ähnlich hohen Betrag ausgeben, um negative Nebeneffekte an der Börse zu verhindern. Den Banken, die von der Regierung seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Dezember 1997 angemahnt wurden, zahlungsunfähige Schuldner in den Konkurs zu entlassen, wurde mit der jüngsten Aktion eine 180-Grad-Wende zugemutet, die in den kommenden Monaten auch für andere überschuldete Konglomerate angewendet werden müßte.

Ein Konkurs von Daewoo wäre ein weit schlimmerer Schlag für die Volkswirtschaft als die Drosselung der Finanzreformen. Wegen der verbesserten Konjunkturaussichten – Seoul sagt für 1999 ein BIP-Wachstum von rund 6 Prozent voraus – und den gestiegenen Devisenreserven sprechen sich einzelne Regierungspolitiker bereits für eine Verstaatlichung aus. Das würde zwar das Kernübel in der südkoreanischen Wirtschaft – die Überkapazitäten im Schiffsbau, der Stahl- und Autoproduktion – zementieren. Aber die Konsequenzen eines Konkurses wären so einschneidend, daß der Einsatz von Steuergeldern für die Rettung unterm Strich wohl günstiger kommt: Massenentlassungen der gewerkschaftlich gut organisierten Daewoo-Arbeiter könnten der Zünder für soziale Unruhen werden, die zu einer neuen Kapitalflucht aus dem Tigerstaat führen könnten. André Kunz